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Jonathan Fedier, 2005 | Oberarth, SZ

 

Das Kollegium Maria Hilf (KMH) in Schwyz war Ende der 1960er-Jahre ein katholisches Jungengymnasium mit Internat. Es unterstand als einziges Deutschschweizer Internatskollegium direkt der Leitung von Bistümern (Chur, Basel und St. Gallen).
Wie bei vielen katholischen Privatschulen konnte auch die kirchliche Trägerschaft des KMH ab den 1960er-Jahren den Betrieb der Schule nicht mehr finanzieren. Aus diesem Grund übernahm 1972 der Kanton Schwyz das Kollegium und führte es als Kantonsschule Kollegium Schwyz (KKS) weiter.
Diese Arbeit untersucht die Geschehnisse rund um den Wechsel vom KMH zur KKS aus einer verwaltungs- und wirtschaftsgeschichtlichen Perspektive mithilfe des Studiums von schriftlichen historischen Quellen und der Befragung von Zeitzeugen. Sie zeigt, dass die kirchliche Trägerschaft während den Verhandlungen mit dem Kanton Schwyz eine vollständige Übernahme des KMH mitsamt Internat durch den Kanton verhindern wollte. Auch nach dem Wechsel versuchten konservative Kräfte an der KKS, die katholische Tradition des KMH zu erhalten. Dies führte zum Konflikt mit einer progressiveren Interessensgruppe, die die KKS in verschiedenen Bereichen reformieren wollte.

Fragestellung

Diese Arbeit erforscht den Wechsel des Kollegiums von einer kirchlichen zu einer kantonalen Trägerschaft. Die Fragestellung hat einen verwaltungs- und wirtschaftsgeschichtlichen Fokus: Was waren die Gründe, die 1972 zu einer Übernahme des KMH durch den Kanton Schwyz führten? Wie lief der Wechsel der Trägerschaft in diesem speziellen Fall ab? Welche Konsequenzen hatte der Wechsel für die Schule?

Methodik

Die Grundlage für diese Arbeit bildeten die Lektüre und Analyse von schriftlichen historischen Quellen zum Wechsel der Trägerschaft des Kollegiums. Als Ergänzung dazu wurden drei narrative Zeitzeugeninterviews mit ehemaligen Lehrern des Kollegiums geführt, die den Wechsel miterlebt haben. Die Informationen aus den schriftlichen Quellen und den Interviews wurden quellenkritisch ausgewertet, zusammengeführt und mithilfe von Fachliteratur in einen historischen Kontext gesetzt.

Ergebnisse

Diese Arbeit zeigt exemplarisch die Entwicklung eines katholischen Kollegiums auf, das gegen Ende der 1960er-Jahre vor existenziellen finanziellen Problemen stand. Die Gründe dafür waren, dass das KMH während der 1960er-Jahre vermehrt gut ausgebildete, aber teure weltliche Lehrpersonen anstellen musste, um den Rückgang an geistlichen Lehrpersonen in dieser Zeit zu kompensieren und den durch die Konkurrenz mit dem öffentlichen Mittelschulwesen gestiegenen Anforderungen an die Ausbildung von Mittelschullehrpersonen gerecht zu werden.
Das KMH wurde aufgrund seiner finanziellen Schieflage 1972 vollständig vom Kanton Schwyz übernommen, obwohl die kirchliche Trägerschaft eine teilweise Übernahme ohne Internat angestrebt hatte. Die überkonfessionelle KKS unterschied sich vorerst kaum vom katholischen KMH. Eine progressive Interessensgemeinschaft forderte jedoch Reformen der Erziehungs- und Bildungsmethoden der KKS. Dies führte zu Spannungen mit den Befürwortern der ehemaligen kirchlichen Leitung, die den christlichen Charakter des Kollegiums bewahren wollten. Im Verlauf der 1970er-Jahre setzten sich die progressiveren Kräfte durch und die KKS löste sich von ihrer katholischen Vergangenheit.

Diskussion

In dieser Arbeit werden die Ursachen, der Verlauf und die Konsequenzen des Wechsels des Kollegiums von einer katholischen zu einer kantonalen Trägerschaft aufgezeigt. Die gewählte Methodik erlaubt eine ausgewogene Sicht auf die untersuchten Ereignisse: Dank der Erkenntnisse aus den Zeitzeugeninterviews konnte das Wissen aus den schriftlichen Quellen ergänzt oder in ein neues Licht gerückt werden. An einigen Stellen gestaltete sich die Einordnung von Zeitzeugenaussagen oder die Einschätzung der Bedeutung von historischen Leitbildern und Konzeptionen mangels alternativer Quellen jedoch schwierig. Im Rahmen der Untersuchungen konnte der Fall des Kollegiums zudem nicht mit ähnlichen Säkularisierungsentwicklungen anderer katholischer Gymnasien verglichen werden. Dies wäre Gegenstand einer weiterführenden Untersuchung.

Schlussfolgerungen

Diese Arbeit liefert wertvolle Erkenntnisse zur Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte innerhalb der Bildungsgeschichte des Kollegiums in Schwyz. Der Wechsel vom KMH zur KKS ist ein lokalhistorisches Ereignis, das für das Kollegium und das Schulwesen des Kantons Schwyz eine Zeitenwende darstellte. Der Wechsel ist zudem von Relevanz, weil er ein besonderes Beispiel für eine schweizweite Entwicklung ist.

 

 

Würdigung durch die Expertin

Dr. Ruth Wiederkehr

Jonathan Fediers Arbeit «Zeitenwende am Kollegium Schwyz» besteht aus einer methodisch fundierten Auswertung von Quellen aus mehreren Archiven, ergänzt durch Zeitzeugengeninterviews. Für die Kontextualisierung nutzt er die einschlägige Fachliteratur, die ihm bei der Formulierung einer griffigen These hilft. Die verwaltungs- und wirtschaftsgeschichtliche Studie ist sinnvoll gegliedert, die Ergebnisse und die Diskussion vermögen als exemplarische Untersuchung zur Erosion des katholischen Milieus und deren Folgen im Bildungsbereich in den 1960er- und 1970er-Jahren zu überzeugen.

Prädikat:

sehr gut

 

 

 

Kantonsschule Kollegium Schwyz
Lehrer: Dr. Nicolas Disch