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Boas Kaiser, 2003 | Zürich, ZH

 

1990 bewegte die Aufdeckung der Geheimorganisation P-26 die Gemüter. Das «Projekt 26» bezeichnet die geheimen, staatlichen Widerstandsvorbereitungen für einen Besetzungsfall zwischen 1979 und 1990. Da in den Medien Gerüchte über eine Geheimarmee kursierten, setzte das Parlament eine Untersuchungskommission (PUK EMD) ein. Diese kritisierte den Bundesrat und den Generalstabschef für den Betrieb einer illegalen Organisation. Die Kritik und die mediale Skandalisierung führten dazu, dass sich die P-26 und ihre Verantwortlichen jahrzehntelang in ein schlechtes Licht gerückt sahen. Neue historische Beurteilungen relativieren und widersprechen jedoch vielen Kritikpunkten der PUK. Die vorliegende Arbeit analysiert diese Kritikpunkte, kontextualisiert die Thematik und untersucht Lösungsansätze für das Spannungsfeld von demokratischer Transparenz und Geheimhaltung. Wichtig sind dabei die Antworten von direkt betroffenen Akteuren der damaligen Zeit: alt Bundesrat Kaspar Villiger, alt Ständerat und PUK Präsident Carlo Schmid-Sutter und Susi Noger, ehemaliges Mitglied der P-26. Am Ende der Arbeit steht das Ergebnis, dass der PUK EMD ernst zu nehmende Fehler unterlaufen sind, insbesondere betreffend Adressaten der Kritik. Wegen der medialen Skandalisierung war eine PUK aber notwendig, um das Vertrauen in den Staat wiederherzustellen.

Fragestellung

Die Kontroverse um den Schlussbericht der PUK EMD ergab folgende Fragestellung: 1- Was für eine Organisation war die P-26, wie war sie aufgestellt, was war ihr Auftrag? 2- Wie ist die P-26 mit Blick auf ihren Auftrag, ihre Struktur, ihre Eingliederung in die Verwaltung, ihre Einsatzbereitschaft, ihre Tätigkeiten und ihre Ausrüstung rechtlich zu beurteilen? 3- Welche Gefahren gingen aufgrund der obigen Faktoren real von dieser Organisation aus? Als ich diese Fragen mit dem Schlussbericht der PUK EMD und der Dissertation von Dr. Titus Meier zu beantworten versuchte, stiess ich auf zahlreiche Widersprüche. Dies führte zur vierten, zentralen Frage meiner Arbeit: 4- Wurde die P-26 zum Zeitpunkt ihrer Aufdeckung 1990 korrekt eingeordnet? Wie sind die sich widersprechenden Aussagen aufzufassen?

Methodik

Ausgehend vom Schlussbericht der PUK EMD und der Dissertation von Dr. Titus Meier arbeitete ich die zentralen Widersprüche heraus und besprach sie mit den damals massgeblichen Akteuren. Im Verlaufe der Recherche nahm die Quellenlage zu. Dies ermöglichte, die historischen Fakten zur P-26 korrekt wiederzugeben, das Handeln der betroffenen Akteure einzuordnen und eine juristische Interpretation vorzunehmen, was die Ziele der vorliegenden Arbeit waren.

Ergebnisse

Erschien die P-26 1981 in einer Lage der sowjetischen Bedrohung sinnvoll, änderte sich das 1989 schlagartig. So reagierten die Medien und die Öffentlichkeit äusserst skeptisch auf die aufgedeckte P-26. Eine PUK, die die Missstände aufdeckt und das bereits von der Fichenaffäre erschütterte Vertrauen in die Institutionen wiederherstellt, wurde notwendig. In ihrem Schlussbericht verortete die PUK EMD viele rechtliche Missstände und Gefahren bei der P-26. Dass sich diese auf die Arbeit der GPK von 1981 zurückführen lassen, wurde mit einer historisch unzulässigen Begründung ausser Acht gelassen. Ihre Hauptaufgabe erfüllte die PUK EMD aber, indem sie nach einer innenpolitisch bewegten Zeit Ruhe ins Land brachte.

Diskussion

Die Fragestellung konnte mit dem gewählten Vorgehen beantwortet und die Ziele erfüllt werden. Ideologische Blickwinkel, die das Handeln der Verantwortlichen begründen könnten, wurden nicht berücksichtigt. Ausgehend von dieser Arbeit könnten solche Blickwinkel zum Thema mit Einbindung von oppositionellen Stimmen analysiert werden. Auch der Frage nach der Wirkung solcher Organisationen könnte nachgegangen werden. Die Thematik «P-26» stellte dazu ein Paradebeispiel für eine Arbeit über das Spannungsfeld zwischen Rehabilitation und Revisionismus dar. Diese Aspekte einzubinden, hätte aber den Rahmen einer Maturitätsarbeit gesprengt.

Schlussfolgerungen

Das Beispiel der P-26 zeigt, wie ein Wandel der Lebensumstände zu einem Wertewandel führt. Erschien die P-26 im Kalten Krieg sinnvoll, änderte sich das 1989. Ein Wertewandel kann sich durch Initialereignisse wie dem Mauerfall abrupt ergeben, so dass politische Organe hinterherhinken. Dies führte bei der P-26 zu einer Diskrepanz zwischen dem Handeln der Verwaltung und den Werten der Öffentlichkeit. Im Umfeld der Fichenaffäre war eine genaueste Aufklärung durch eine PUK unabdingbar, was schliesslich eine innenpolitisch aufgebrachte Situation nachhaltig beruhigte. So wäre es bei allen Mängeln ein grosser Fehler gewesen, auf die PUK zu verzichten.

 

 

Würdigung durch den Experten

Prof. em. Dr. Jakob Tanner

Als 1990 die P 26 durch die PUK EMD aufgedeckt wurde, gingen die Wogen hoch und bis heute dauern die Kontroversen um diese (im selben Jahr aufgelöste) geheime Widerstandsorganisation an. In der damaligen akuten staatlichen Vertrauenskrise verfügte der kritische PUK-Bericht über die Deutungshoheit. Die Arbeit verleiht nun direkt betroffenen, sich missverstanden fühlenden Akteuren eine stärkere Stimme und stellt die Verzerrungen der Berichterstattung in der medialen Skandalisierung um 1990 wie auch anhaltende Widersprüche im Spannungsfeld von Geheimhaltung und demokratischer Transparenz dar.

Prädikat:

sehr gut

 

 

 

Kantonsschule Hohe Promenade , Zürich
Lehrer: Lic phil I Peter Neumann