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Élodie Peter, 2002 | Rüti ZH, ZH

 

1971 erhielten die Schweizer Frauen das Stimm- und Wahlrecht auf eidgenössischer Ebene. «Was geschah nach 1971? – Wie Schweizer Frauen in die Politik fanden» befasst sich mit der Zeit nach der Einführung des Frauenstimmrechts. Denn selbst, als Frauen stimm- und wahlberechtigt waren und politische Ämter innehatten, wurden sie noch lange nicht als normal betrachtet. Auf persönlich durchgeführten Interviews basierend, geht diese Studie den Spuren dieser Zeit nach und zeigt auf, wie es zum Frauenstimmrecht kam, wie es sich als Frau damals so lebte und wie es für Frauen war, in die Politik zu finden. Die zehn Zeitzeuginnen – alles Politikerinnen, die in den Anfängen nach der Einführung des Frauenstimmrechts aktiv waren – erzählen von ihren Hürden und Erlebnissen. Sie berichten, wie sie für die Abschaffung diskriminierender Gesetze kämpften, andere Frauen ermutigten, ebenfalls ein politisches Interesse und Engagement zu entwickeln, und wie sie von den Männern in Empfang genommen wurden. Diese Frauen waren keine armen, verschupften Geschöpfe, sondern willensstarke Kämpferinnen, die mit klopfendem Herzen und fester Stimme ihre Rechte einforderten.

Fragestellung

Nun mag man sich fragen, weshalb soll über die Zeit nach 1971 geschrieben werden? Die Frauen «durften» sich ja jetzt politisch beteiligen! Sie hatten doch erhalten, was sie wollten! Doch war das wirklich der Fall? Was geschah eigentlich nach 1971? Wie fanden die Schweizer Frauen in die Politik? Wie wurden sie empfangen? Für welche Anliegen setzten sie sich ein und worin unterschied sich ihr Engagement von jenem der Männer? Trafen sie auf Vorurteile, Widerstände und Hindernisse? Eine neue Normalität kann nicht erzwungen werden. Somit muss ein kaum einfacher Gewöhnungsprozess stattgefunden haben.

Methodik

Die Arbeit ist aus dem Zusammenspiel von Recherche und Interviews entstanden. Für die Arbeit wurden Politikerinnen der ersten Jahrzehnte nach 1971 interviewt. Dies waren Elisabeth Kopp, Susanne Leutenegger Oberholzer, Lili Nabholz, Gabrielle Nanchen, Leni Robert-Bächtold, Hanna Sahlfeld-Singer, Monika Stocker, Monika Weber, Rosmarie Zapfl-Helbling und Elisabeth Zölch. Bei der Recherche wurde auf Audio- und Filmbeiträge, diverse Internetseiten, Bücher, Arbeiten, Zeitungen und Zeitschriften zurückgegriffen.

Ergebnisse

Was geschah jetzt eigentlich nach 1971? Der Kampf um das Frauenstimmrecht war noch nicht an allen Orten beendet. Im Kanton Appenzell Innerrhoden dauerte er sogar bis 1990. Die Parteien fingen an, Frauen für ihre Parteilisten zu suchen. Die ersten Frauen kamen in die verschiedenen Parlamente. Es wurden neue Gesetze gemacht, alte diskriminierende überarbeitet. Frauen politisierten mit einem etwas anderen Erfahrungshintergrund. Die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen wurde gegründet. In den verschiedenen Räten schlossen sich Frauen zusammen, um gemeinsame Anliegen in den Fraktionen und Parteien durchzubringen. Politisch aktive Frauen motivierten und ermutigten andere Frauen, es ihnen gleichzutun. Doch es war ein steiniger und dornenvoller Weg für die erste Generation von Parlamentarierinnen. Sie hatten weder Vorbilder noch «Drehbücher», noch konnten sie auf dasselbe Netzwerk zurückgreifen wie Männer. Sie mussten kämpfen, um ernst genommen und um als gleichgestellt akzeptiert zu werden. Durch das Neu-Sein erhielten sie viel Medienaufmerksamkeit. Sie bekamen so die Möglichkeit, sich zu beweisen. Allerdings konnten sie auch bitter daran scheitern. Bei ihnen legte man strengere Massstäbe an. Man betrachtete kritischer, was sie taten und wie sie aussahen. Die Hemmschwelle zu negativen, unsachlichen und grausigen Kommentaren ihnen gegenüber war tiefer als gegenüber Männern. Es gab in vielerlei Hinsicht eine Doppelmoral aufgrund der tradierten gesellschaftlichen Wertvorstellungen von Mann und Frau.

Diskussion

Für die Arbeit stellten die Interviews als Quelle die beste Methode dar. Denn es ging darum herauszufinden, wie sich diese Frauen gefühlt hatten und was sie gedacht hatten.

Schlussfolgerungen

Im Ergebnis zeigt sich die tiefe Verankerung der Rollenbilder in der Gesellschaft. Die Dominanz dieser Rollenbilder im Leben einer und eines jeden Einzelnen geht weit über den eigenen Kleiderschrank hinaus. Die erste Frage bei einer Schwangerschaft ist stets das Geschlecht. Blau oder rosa, Auto oder Puppe, aber später wird es subtiler. Wir bemerken es nicht einmal mehr – unser Unbewusstsein hingegen schon. Mit dieser Arbeit möchte ich das Bewusstsein für diese Vorgänge stärken.

 

 

Würdigung durch den Experten

Prof. em. Dr. Jakob Tanner

Im Zentrum dieser Arbeit stehen zwei Fragen: Welchen Einfluss hatte die Einführung des Frauenstimmrechts auf nationaler Ebene (1971) auf die Schweizer Politik? Und wie wurde dieser politische Durchbruch von direkt involvierten Frauen wahrgenommen? Mit Erinnerungsinterviews gelingt es der Verfasserin, ein facettenreiches, erfahrungsdichtes Bild dieses widersprüchlichen (Selbst-)Veränderungsprozesses zu zeichnen. Damit erweitert sie die historische Forschung um Aspekte (Kommunikation im Parlament, Körperbilder, geschlechtsbezogene Vorurteile), die bisher unterbelichtet blieben.

Prädikat:

hervorragend

Sonderpreis Forschung auf dem Jungfraujoch

 

 

 

Kantonsschule Zürcher Oberland, Wetzikon
Lehrer: Prof. Dr. Daniel Wiedenkeller