Chemie | Biochemie | Medizin
Jaël Victoria Moser, 2005 | Basel, BS
Stammzelltherapien bieten vielversprechende Ansätze zur Behandlung von Krankheiten wie Diabetes oder MS. Induzierte pluripotente Stammzellen (iPSCs), die aus somatischen Zellen gewonnen werden, können in verschiedene Zelltypen differenzieren und stellen eine ethisch unbedenkliche Alternative zu embryonalen Stammzellen dar. Diese Arbeit untersucht den Einfluss des Wnt- und RA-Signalwegs auf die Differenzierung von iPSCs in Endoderm- und Mesodermzellen. Hierbei wurden CHIR99021, ein Wnt-Aktivator, und Retinol, ein Aktivator des RA-Signalwegs, eingesetzt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Aktivierung des Wnt-Signalwegs die Endodermdifferenzierung fördert und die Mesodermdifferenzierung hemmt. Retinol stabilisiert die iPSCs und verschlechtert ihre Differenzierungseffizienz. Diese Erkenntnisse erweitern das Verständnis über die gezielte Differenzierung von iPSCs und könnten zukünftige Stammzelltherapien beeinflussen.
Fragestellung
Welcher Einfluss hat die Beigabe der Wirkstoffe CHIR99021 und Retinol und die damit verbundene Modulation des Wnt- und RA-Signalweges auf die Differenzierung von iPSCs in die Zelltypen des Mesoderms und Endoderms?
Methodik
Die iPSCs wurden nach einem spezifischen Induktionsprotokoll in Mesoderm- und Endodermzellen differenziert. Am ersten Tag wurden die Zellen trypsinisiert, gezählt und in 12-Well-Platten übertagen (100k Zellen für die Kontrolle, 200k für Mesoderm und 800k für Endoderm) und bei 37°C und 5% CO2 inkubiert. Am vierten Tag wurden die Zellen auf eine 384-Well-Platte übertragen und mit CHIR99021 und Retinol behandelt. Am siebten Tag wurden die Zellen fixiert, mit DAPI und spezifischen Antikörpern (Oct4, FOXA2, Brachyury, Tubulin-alpha) gefärbt. An den Tagen 2, 3, 5 und 6 erfolgten jeweils Medienwechsel. Die Analyse geschah mithilfe eines PerkinElmer Operetta CLS Mikroskops und entsprechender Software.
Ergebnisse
iPSCs-Konditionen: Durchschnittlich konnten die mit Retinol behandelten iPSCs um 25.25% erfolgreicher fortbestehen als die Kontrollkonditionen. Die mit CHIR99021 behandelten Zellen zeigten die zweithöchste Erhaltungsrate.
Endoderm-Konditionen: Die Anteile der Endoderm-RA-Konditionen sind am niedrigsten. Erfolgreicher waren die Differenzierungen der Endoderm-Kontroll-Konditionen in Relation zu den Quoten der RA-Konditionen. Die Endoderm-Anteile der mit CHIR99021 behandelten Zellen sind im Vergleich zur Kontrolle durchschnittlich um 18.975% gestiegen und somit am erfolgreichsten.
Mesoderm-Konditionen: Die Kontroll-Mesoderm-Konditionen zeigten die besten Differenzierungsergebnisse, während CHIR99021 die Effizienz um 16,975% und RA um 9.3% verringerte.
Diskussion
Die Aktivierung des Wnt-Signalwegs durch CHIR99021 fördert die Differenzierung zu Endodermzellen, da es das Enzym GSK-3-beta hemmt. Beta-Catenin wird nicht abgebaut, kann in den Nukleus eindringen und bestimmte Zielgene aktivieren. Dadurch wird die Transkription des Gens Sox17, ein Endodermmarker, gefördert und die Transkriptionen von Oct4 und Sox2, zwei Pluripotenzmarker, inhibiert.
Es könnte sein, dass die Stabilisierung der iPSCs am beigefügtem Retinol liegt, welches den RA-Signalweg aktiviert und in die all-trans-Retinsäure umgewandelt werden kann. Diese könnten mit den Nuklearrezeptoren RAR, RXR und RARE interagieren, wodurch Zielgene aktiviert werden könnten. Diese könnten gewisse Transkriptionsfaktoren aktivieren oder inhibieren, wodurch die iPSCs besser erhalten bleiben.
Zu erwähnen ist, dass bei den Endoderm-Konditionen jeweils keine Mesodermzellen entstanden sind und es sich entweder um spontane Differenzierung oder Endodermzellen handelt. Die Zellen exprimieren als noch kein FOXA2, haben aber Oct4 bereits verloren. Aufgrund des Ausschlussprinzips bei der angewandten Zelltyp-Bestimmung lässt sich nicht feststellen, um welchen Zelltyp es sich handelt. Zukünftige Untersuchungen sollten den Differenzierungszeitraum verlängern, um die Zellen weiterzuentwickeln und möglicherweise eine vollständige Markerexpression zu erreichen.
Schlussfolgerungen
Die Verwendung von patienteneigenen iPSCs ermöglicht die individuelle Krankheitsmodellierung und personalisierte Therapien mit erhöhter Wirksamkeit und verringertem Immunabstossungsrisiko. Ein Beispiel ist die Differenzierung von Endodermzellen zu Beta-Zellen für Typ-1-Diabetes, mit vielversprechenden Ergebnissen aus einer Phase-I-Studie. Zudem könnten aus Mesodermzellen kardiovaskuläre Zellen für die Behandlung von Herzkrankheiten gewonnen werden.
Würdigung durch die Expertin
Dr. Nina Schmolka
Die Arbeit von Jaël Moser befasst sich mit der Differenzierung von induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSCs), einer spannenden Fragestellung, die zur Entwicklung von Stammzelltherapien beitragen kann. In einem komplexen Versuchsaufbau wird die Differenzierung zu Mesoderm- und Endodermzellen analysiert und untersucht, wie zwei Signalwege, WNT und Retinsäure (RA), diese beeinflussen. Die Aktivierung von WNT fördert die Endoderm-Differenzierung und RA die Erhaltung von iPSCs. Die Arbeit überzeugt durch die Relevanz ihrer Thematik, die durchdachten Experimente und das sprachliche Niveau.
Prädikat:
sehr gut
Sonderpreis von Life Sciences Switzerland (LS2)
Gymnasium Kirschgarten, Basel
Lehrer: Benjamin Grossenbacher