Mathematik | Informatik
Jakob Schildhauer, 2004 | Brugg, AG
Schwingungen können in Videos als periodische Helligkeitsschwankungen von einzelnen Pixeln aufgezeichnet und mithilfe von Fouriertransformationen quantifiziert werden. Mögliche Anwendungen sind die Lokalisierung von Klangkörpern oder die Untersuchung industrieller Anlagen auf ungewollte Vibrationen. Wie das Nyquist-Shannon-Abtasttheorem besagt, ist die höchste eindeutig identifizierbare Frequenz aber abhängig von der Framerate der verwendeten Kamera, weswegen in der Regel eine Hochgeschwindigkeitskamera benötigt wird.
Diese Arbeit präsentiert ein Konzept, bei dem durch Messungen in unregelmässigen Zeitintervallen auch mit einem Smartphone hohe Frequenzen richtig erkannt werden können. Verfahren zur Kalibrierung des verwendeten Aufnahmegeräts wurden entwickelt, sowie ein Algorithmus zur Analyse des Videomaterials in Python implementiert und optimiert. Es wurde zudem untersucht, welche Voraussetzungen für eine korrekte Identifikation der Frequenzen gegeben sein müssen.
Fragestellung
Ziel der Arbeit war die Entwicklung und Implementierung eines Verfahrens, das es ermöglicht, zeitlich hochfrequente periodische Signale in Videos trotz Einsatz limitierter Kameras (mit vergleichsweise tiefer Framerate) zu bestimmen. Zudem sollte die Funktionalität durch eine exemplarische Anwendung demonstriert werden.
Methodik
Um die Grundidee der Messung in unregelmässigen Zeitintervallen zu verifizieren, wurde ein Programm in Python entwickelt, welches eine derartige Aufnahme eines Signals simuliert und so das Konzept validieren konnte. Verschiedene Ansätze zur Messung mit zeitlicher Aperiodizität durch eine Kamera wurden in Betracht gezogen und evaluiert. Schlussendlich stellte sich ein auf dem Rolling-Shutter-Effekt beruhendes Messverfahren, welches nur einen Spiegel verwendet, als geeignet heraus. Die benötigte Apparatur wurde gebaut, angepasst an ein Smartphone. Anschliessend wurde in zahlreichen Iterationen ein optimiertes Verfahren zur Kalibrierung entwickelt. Der Algorithmus zur Verarbeitung der Daten wurde in Python implementiert und durch Vektorisierung unter Verwendung von numpy beschleunigt. Abschliessend wurden in einer mathematischen Betrachtung die Grenzen des Algorithmus hergeleitet in Abhängigkeit der Zusammensetzung des zu messenden Signals, intrinsischer Kameraeigenschaften und der Präsenz von Störgrössen.
Ergebnisse
Das entwickelte Produkt ist in der Lage, Frequenzen korrekt zu bestimmen, welche andernfalls einem zeitlichen Aliaseffekt unterliegen würden. Dies wurde auch in mehreren Anwendungen demonstriert. Im Allgemeinen ist die Zuverlässigkeit dabei gut und das Kalibrierungsverfahren schnell und effizient. Die mathematische Betrachtung deutet darauf hin, dass viele reale Situationen den Anforderungen des Algorithmus genügen und das Verfahren somit anwendbar ist.
Diskussion
Das Ziel der Arbeit, hohe Frequenzen in Videos zu bestimmen, wurde klar erreicht. Mit einem Smartphone wurden erfolgreich Schwingungen gemessen, für deren Identifikation ansonsten eine Kamera mit rund der vierfachen Framerate nötig gewesen wäre. Die mathematische Herleitung zeigt auch, dass noch weitaus höhere Frequenzen bei ausreichender Messdauer bestimmbar sind. Somit wurde ein neues Verfahren ausgearbeitet sowie theoretisch und praktisch validiert. Verbesserungspotential besteht bei der Geschwindigkeit der Datenauswertung, zudem könnten bessere Filter eingesetzt werden, um auch schwache Helligkeitsänderungen zu berücksichtigen. Bei längeren Aufnahmen liesse sich die zeitliche Aufschlüsselung durch Wavelettransformationen in Betracht ziehen. Nicht zuletzt ist auch eine Erweiterung des Konzepts auf andere Sensoren denkbar.
Schlussfolgerungen
Das hier präsentierte Konzept ist neu und löst – zumindest in vielen Fällen – ein real vorhandenes Problem auf eine einfache und kostengünstige Weise. Der nächste Schritt ist daher die Umsetzung der beschriebenen Verbesserungsmöglichkeiten.
Würdigung durch den Experten
Prof. Dr. Hanspeter Schmid
Das Abtasttheorem schränkt Frequenzen, die optisch erkannt werden können, bei Handykameras z.B. auf maximal 120 Hz ein. Wenn ein Bildteil aber auf zwei Zeilen sichtbar ist, die dank Rolling Shutter der Kamera zeitverzögert aufgezeichnet werden, wird der erkennbare Bereich viel grösser. Mit einem kleinen Spiegel vor der Kamera und einem neuartigen, auf optischer Kalibrierung und Phasenanalyse basierten Algorithmus, der mathematisch sauber aus der Fourierreihe hergeleitet ist, demonstriert Jakob Schildhauer die Messung der Schwingfrequenz von Gitarrensaiten: Grossartige angewandte Forschung!
Prädikat:
hervorragend
Sonderpreis «European Union Contest for Young Scientists (EUCYS)» gestiftet von der Stiftung Aldo e Cele Daccò
Alte Kantonsschule Aarau
Lehrerin: Franziska Schmid