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Nicolas Fischlin, 2005 | Aarau, AG

 

Gemälde sprechen uns visuell an. Sie vermögen, genau wie die Musik, Emotionen zu erzeugen, Stimmungen hervorzurufen. Gewisse Menschen, sogenannte Synästhetiker, sind in der Lage, ein Gemälde zusätzlich zur visuellen Wahrnehmung auch auditiv wahrzunehmen. In meiner Arbeit bin ich dieser gekoppelten Wahrnehmung nachgegangen und habe sie am Beispiel eines Werks des Malers und Synästhetikers W. Kandinsky untersucht. Mithilfe des Computerprogramms Fl-Studio habe ich durch die Anwendung von Kandinskys Farb-Klang-Theorie eine mögliche Vertonung des Gemäldes ,,Gelb-Rot-Blau’’ komponiert. Mit meiner Arbeit möchte ich die Verbindung zweier Kunstformen veranschaulichen, um so die künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten zu erschliessen.

Fragestellung

(I) Auf welchen Prinzipien beruht die von W. Kandinsky entwickelte Farbtheorie? (II) Wie lässt sich das Gemälde Gelb-Rot-Blau anhand dieser Farbtheorie analysieren? (III) Wie kann schliesslich das Gemälde von Kandinsky auf der Basis dieser Farb-Klang-Analyse vertont werden?

Methodik

In einem ersten Schritt galt es, sich mit Kandinskys Schriften auseinanderzusetzen. Mein Ziel war es, Kandinskys Theorien zu verstehen und auszulegen, um daraus eine Methode für die Vertonung des Gemäldes zu entwickeln. Bei der Auswahl eines Gemäldes fiel meine Wahl auf das Gemälde Gelb-Rot-Blau. Als Vorbereitung für die Vertonung habe ich das gewählte Gemälde analysiert und interpretiert. Von entscheidender Bedeutung war für mich die Skizze, die ich in der Vorbereitung schuf. Sie teilt das Bild von links nach rechts in vier verschiedene farbliche Areale ein und definiert so den Weg, den ich bei meiner Vertonung durch das Bild gegangen bin. Vertont habe ich die definierten Areale einzeln. Ausgehend von Kandinskys Theorie zu Farbe und Form, kombiniert mit meinen persönlichen Gefühlen und Assoziationen habe ich versucht, das Wesen resp. die Stimmung des zu vertonenden Areals zu bestimmen. Danach habe ich diese Stimmung durch zu Farbe und Form passende Instrumente im Programm Fl-Studio musikalisch umgesetzt. Die dabei entstandenen Klänge habe ich nach Kandinskys Ausführungen auf Temperatur und Bewegung angepasst. Um Übergänge zwischen den Arealen zu gestalten, habe ich zum Schluss atmosphärische Sounds und Texturen eingefügt. Abgemischt habe ich jedes der Areale einzeln auf meiner alten Stereoanlage. Die Partitur habe ich von Fl-Studio in Musescore kopiert und diese dann nachträglich auf Harmonie und Stimmführung bearbeitet.

Ergebnisse

Als Ergebnis meiner Auseinandersetzung mit Kandinskys Farb-Klang Theorie, seinem Kunstverständnis und dem Gemälde «Gelb-Rot-Blau» ist ein rund 9-minütiges Klanggebilde mit experimentellen Zügen entstanden. Es stellt einen Versuch dar, Kandinskys Hörerlebnis bei der Betrachtung seines Gemäldes zu veranschaulichen. Die Beschäftigung mit der Frage, was die jeweilige Kunstform ausmacht und mit welchen Mitteln sie arbeitet, hat mich mögliche Schnittstellen erkennen lassen und mir einen Weg zu ihrer Verbindung erschlossen. Damit hat sich mein Kunstverständnis entscheidend erweitert, und es eröffnen sich mir neue Perspektiven auf das Komponieren.

Diskussion

Die gewählte Fragestellung, mein Vorgehen und meine Methode haben sich grundsätzlich bewährt. Ich konnte meine Arbeit meinen Vorstellungen entsprechend verfolgen. Einzig den Umfang des klingenden Endprodukts musste ich von 20 Arealen auf 4 reduzieren, da ich das Gemälde anfangs viel zu umfassend vertonen wollte. Zudem stellte sich mir die Frage der Authentizität. Da ich in meine Vertonung persönliche Gefühle und Interpretationen einfliessen liess, stelle ich mir die Frage, wie akkurat ich Kandinskys Theorie angewendet habe und wie gut sich meine Vertonung als Veranschaulichung seiner Farb-Klang Theorie eignet.

Schlussfolgerungen

Ich denke, der Versuch, in der vorliegenden Arbeit bildnerische Strukturen in analoge klingende Strukturen überzuführen, ist mir gedanklich gelungen. Kandinskys Farbtheorie hat sich als gangbarer Weg erwiesen. Ebenfalls bewährt hat sich die Arbeit mit dem Computerprogramm Fl-Studio. Wie aber verhält es sich mit der «künstlerischen Qualität»? Da meine klangliche Umsetzung anderen Gesetzen als den des traditionellen Tonsatzes gehorcht, kann sie auch nur bedingt nach den gängigen akademischen Kriterien beurteilt werden. Durch eine entsprechende Bearbeitung könnte sie jedoch zu einem ästhetisch eigenständigen Produkt entwickelt werden.

 

 

Würdigung durch die Expertin

Prof. Dr. Bettina Skrzypczak

Die Arbeit von Nicolas Fischlin zeichnet sich durch gründliche Kenntnis der Materie, analytische Genauigkeit und ein ausgeprägtes künstlerisches Interesse aus. Die Struktur und die synästhetischen Implikationen von Kandinskys Gemälde „Gelb-Rot-Blau“ werden mit vorbildlicher Klarheit herausgearbeitet; Systematik und Sensibilität im Umgang mit der komplexen Thematik verbinden sich zu einem perspektivenreichen interdisziplinären Ansatz. Die nach Kandinskys Vorgaben praktizierte „Vertonung“ des Bildes ist ein erster Versuch, der dem Autor als Basiserfahrung für das weitere Vorgehen dienen kann.

Prädikat:

gut

 

 

 

Neue Kantonsschule Aarau
Lehrer: Thomas Grenacher