Geschichte  |  Geographie  |  Wirtschaft  |  Gesellschaft

 

Amelie Roos, 2003 | Luzern, LU

 

Stellen Sie sich vor: Sie gehen zur Apotheke, verlangen ein Paracetamol gegen Kopfschmerzen, doch es gibt keines mehr – oder gravierender, Sie sind Diabetiker, doch es gibt keinen Insulinvorrat. Dies ist eine häufiger werdende Realität für Patienten und Patientinnen in der Schweiz. Doch wie kann es in einem Land mit einer weltweitführenden Pharmaindustrie zu immer mehr Versorgungsengpässen bei lebenswichtigen Arzneimitteln kommen? Diese Arbeit beleuchtet die Situation der Versorgungssicherheit von Arzneimitteln in der Schweiz und schafft somit eine Übersicht zu den Entwicklungen auf dem Arzneimittelmarkt. Aufbauend auf einer Analyse der Versorgungslage, mit Klärung von rechtlichen und begrifflichen Grundlagen, werden Ursachen der Arzneimittelengpässe ökonomischer, regulatorischer und produktionstechnischer Herkunft aufgezeigt. Dabei werden zudem bereits etablierte und mögliche Lösungsansätze beurteilt, um letztlich Optionen zur sicheren Medikamentenversorgung zu finden.

Fragestellung

Die Versorgungssicherheit von Arzneimitteln in der Schweiz und der sich zunehmend verschärfenden Problematik wird anhand dreier Fragen beleuchtet: (I) Wie zeigt sich die Versorgungslage und deren Entwicklung in der Schweiz? (II) Welche Ursachen sind für die Versorgungsengpässe verantwortlich? (III) Welche Ansätze zur Problemlösung werden diskutiert und wie sind diese hinsichtlich Umsetzbarkeit und Wirksamkeit zu beurteilen?

Methodik

Zur Beantwortung der obigen Fragen wurden eine gründliche Literaturrecherche sowie fünf Experteninterviews durchgeführt. Medienberichte, Positionierungen verschiedenster Institutionen sowie nationale und internationale Forschungsberichte waren Grundlage der Recherche. Hierzu ergänzend, ermöglichen die Interviews mit Vertretern der Pharmaindustrie, der Wirtschaftswissenschaft, der Bundesbehörde und der Apotheker einen möglichst objektiven und aktuellen Einblick in die Thematik.

Ergebnisse

Dieser Arbeit gelingt es Ursachen für den starken Anstieg der Versorgungsengpässe in der Schweiz zu identifizieren und in den Zusammenhang des Arzneimittelmarktgeflechtes zu setzen. So werden speziell bei Generika oder Antibiotika eine steigende Anzahl von Lieferengpässen gemeldet. Fehlende finanzielle Anreize führen zur Marktverdrängung vieler Anbieter mit dem Resultat einer Oligopolsituation. Die Lieferkette wird durch Fabrikschliessungen oder Marktrückzüge vulnerabler. Zusätzlich ist die Situation in der Schweiz auf Grund länderspezifischer Zulassungsrichtlinien gegenüber dem Ausland benachteiligt. So befindet sich die Schweiz, trotz marktführender Pharmaindustrie, in einer schwächeren Position als benachbarte Länder. Schliesslich wird die Versorgungssicherheit bei zunehmend kleineren Margen auf Medikamenten zusätzlich belastet. Die Wichtigkeit dieser Preisgestaltung wird in den gezeigten Lösungsansätzen diskutiert. So zum Beispiel sprechen einige für eine erhöhte Marktkontrolle (stärker regulierte Produktionsvorschriften), andere hingegen für eine Marktderegulierung, durch Reduktion von Zulassungshürden. Aufgrund der Interessenskonflikte gestaltet sich die Diskussion schwierig; letztlich muss sie aber stattfinden, um langfristig eine sichere Arzneimittelversorgung in der Schweiz zu garantieren.

Diskussion

Anfänglich war noch nicht klar, ob der Umfang an Literatur zur Erforschung der Arzneimittelversorgung in der Schweiz ausreichen würde, doch schnell wurde ich vom Gegenteil überzeugt. Nach der Recherche unterschiedlicher Quellen liess sich anhand von Übersichtsdarstellungen eine Struktur zur Erklärung der komplexen Zusammenhänge im Arzneimittelmarkt finden. Zusammen mit den aktuellen und beispielsreichen Inputs aus den Interviews konnte die Situation der Versorgungsengpässe in der Schweiz gut erarbeitet und anfängliche Fragestellungen beantwortet werden. In einer weiterführenden Arbeit wären internationale Betrachtungen von Interesse, um so die hier eruierten Ursachen und Lösungsansätze in einen grösseren Kontext zu stellen, denn letztlich ist die Bewältigung der Arzneimittelversorgungsengpässe nur durch eine internationale Kooperation möglich.

Schlussfolgerungen

Zunehmende Lieferengpässe sind auch in einem Land mit weltbekannter Pharmaindustrie, wie der Schweiz, zu einer Realität geworden. Die Ursachen liegen oft in fehlenden Anreizen zur qualitätssicheren Produktion gepaart mit regulatorischen Hürden. Derzeit werden unterschiedliche Lösungsansätze diskutiert, die das Ziel der sicheren Arzneimittelversorgung verfolgen. Oder anders gesagt: dass Sie in der Apotheke bei Kopfschmerzen wieder Paracetamol erhalten und der Diabetiker sein Insulin.

 

 

Würdigung durch den Experten

Prof. Dr. Simon Wieser

Amelie Roos möchte in ihrer Arbeit ein Rätsel lösen: Wie kann es in einem Land mit einer weltweit führenden Pharmaindustrie zu schweren Engpässen bei der Versorgung mit lebenswichtigen Arzneimitteln kommen? Mit einer sorgfältigen Recherche und Experteninterviews gelingt es ihr, die wirtschaftlichen, technischen und regulatorischen Ursachen zu identifizieren und in einem Wirkungsmodell zu verbinden. Darauf aufbauend zeigt sie, inwieweit die Schweiz das Problem selbst lösen kann und wo dies nur gemeinsam mit andern Ländern möglich ist. Die Arbeit überzeugt auch durch klare Sprache und Struktur.

Prädikat:

hervorragend

Sonderpreis «HSG Alumni Deutschland Konferenz» gestiftet von HSG Alumni

 

 

 

Kantonsschule Alpenquai Luzern
Lehrer: Christof Bardenhofer