Gestaltung | Architektur | Künste
Jessica Kunz, 2003
In meiner Arbeit bin ich der Frage auf den Grund gegangen, ob und wie man durch das Theaterspielen Lebenskompetenzen von Kindern steigern kann. Diese Annahme ergab sich gestützt auf drei verschiedene Forschungsarbeiten. Um praxisbezogene Aussagen dazu machen zu können, habe ich einen Workshop mit Kindern der Primarschule durchgeführt, der das eigentliche Herzstück der Arbeit war. Hierfür musste ich mich mit dem pädagogischen Aspekt auseinandersetzen, wie man einen Workshop leiten kann und wie der Aufbau einer Probe am sinnvollsten ist. Um eine allfällige Steigerung der Kompetenzen feststellen zu können, habe ich den Teilnehmenden in der ersten und in der letzten Probe den Auftrag gegeben, sie sollen selbständig eine Szene entwickeln. Anhand verschiedener Auswertungsmethoden habe ich diese beiden Testszenen dann analysiert und bin zum Schluss gekommen, dass man durch Theaterspielen tatsächlich zahlreiche Kompetenzen stärken kann.
Fragestellung
Wie kann man durch theaterpädagogische Übungen Lebenskompetenzen von Primarschülern stärken, sodass sie fähig werden, selbständig eine Theaterszene zu inszenieren?
Methodik
Um aussagekräftige Ergebnisse zu generieren, habe ich mehrere Auswertungsmethoden angewandt. Zum einen liess ich die Teilnehmenden einen schriftlichen Fragebogen ausfüllen und stellte ihnen im Einzelgespräch Fragen. Zum anderen wertete ich die Videoaufnahmen, die ich während der gesamten Testphasen (Vorbereitungszeit und Aufführung) gemacht habe, aus. Der schriftliche Fragebogen sollte Aussagen zum persönlichen Empfinden während der Aufführung sowie der Selbsteinschätzung bezüglich Kompetenzen ermöglichen. Im direkten Gespräch wollte ich herausfinden, wie gut sich die Teilnehmenden mit ihrer Figur auseinandergesetzt hatten, und in der Videoanalyse setzte ich den Fokus einerseits auf das Einhalten der wichtigsten Theaterregeln, andererseits stellte ich einen Fragenkatalog zu unterschiedlichen Kompetenzen zusammen. Für die Videoanalyse habe ich die Aufnahmen mehrmals angeschaut und möglichst präzise Antworten auf die gestellten Fragen formuliert. Dadurch entstand schliesslich ein Vorher-Nachher-Vergleich. Um die festgestellten Kompetenzsteigerungen besser begründen zu können, habe ich zur Interpretation auch mein Forschungstagebuch mit Reflexionen zu den Proben genutzt.
Ergebnisse
Durch den schriftlichen Fragebogen fand ich heraus, dass die Kinder schon von Anfang an sehr von ihrer Leistung überzeugt waren. Im Vergleich konnten keine merklichen Fortschritte festgestellt werden. Auch im direkten Gespräch gab es keinen Unterschied. Alle Teilnehmenden hatten in beiden Szenen ihre Rolle verstanden und konnten auch die Geschichte Revue passieren lassen. In der Videoanalyse bezüglich der Theaterregeln konnte eine eindeutige Verbesserung festgestellt werden in zehn von elf Bereichen. In der Auswertung bezüglich der Kompetenzen gab es zahlreiche Erfolge; am signifikantesten waren diese im Bereich der Organisation, des Verantwortungsbewusstsein und dem Umgang mit Kritik. Zudem ist bei zwei Teilnehmenden von fünf, von denen ein Vorher-Nachher-Vergleich möglich war, eine eindeutige Steigerung deutlich geworden.
Diskussion
Auch wenn es sehr schwierig ist, Kompetenzentwicklungen zu messen, kann man grundsätzlich sagen, dass Steigerungen durchaus vonstatten gingen. Wobei die Auswertungsmethode mit dem schriftlichen Fragebogen nicht sehr zielführend war, da die Fragen zu wenig offen formuliert waren und Kinder in dem Alter sich noch nicht differenziert zu ihren Kompetenzen äussern können. Auch das Gespräch führte diesbezüglich zu keinen sinnvollen Aussagen, es wäre besser gewesen, schriftlich Fragen zur Rolle zu stellen und mündlich Fragen zu Kompetenzen. Erst die Videoanalyse nach einem spezifischen Fragenkatalog zu Kompetenzen erlaubte eine qualitative Auswertung. So konnte ich konkrete Unterschiede zwischen den beiden Testphasen herausarbeiten und mögliche Gründe für die Entwicklung finden. Zudem habe ich anhand des Arbeitsjournals die Entwicklung von zwei Kindern genauer untersucht und habe nach Schlüsselereignissen in den vergangenen Proben gesucht.
Schlussfolgerungen
Obwohl ich von der Annahme ausging, dass eine Stärkung verschiedener Kompetenzen sich realisieren würde, war ich doch sehr erstaunt darüber, welch grosse Kreise das Wirken und Nebenwirken der Theaterarbeit ziehen kann. Meiner Ansicht nach könnte man durch Theaterprojekte in der Schule viele verschiedene Bereiche abdecken, von den Sprachkenntnissen über die Erarbeitung eines Themas, das in der Szene vorkommt, bis hin zum Fördern von Lebenskompetenzen.
Würdigung durch die Expertin
Prof. Dr. Mira Sack
Jessica Kunz zeigt in ihrer Untersuchung, wie ein gesellschaftliches Anliegen in theaterpädagogischer Projektarbeit zum Tragen kommt. Sie gibt ihrem Erkenntnisinteresse eine theoretische Basis und leitet daraus Handlungsprinzipien für die praktische Umsetzung ab. Forschungsmethodisch entwickelt sie durch unterschiedliche Erhebungsverfahren ein solides sozialwissenschaftliches Beobachtungssetting und wertet dieses systematisch aus. Die Analyse selbst besticht durch eine sorgfältige, kluge und kritische Auswertung der erhobenen Daten, die bis hin zur Reflexion der eingesetzten Methoden reicht.
Prädikat:
sehr gut
Kantonsschule Beromünster
Lehrer: Dominik Kiser