Biologie | Umwelt
Nicole Fuhrimann, 2006 | Bützberg, BE
In der Schweiz werden jährlich rund 2.5 Millionen Schweine geschlachtet, denn hierzulande ist Schweinefleisch die beliebteste Fleischsorte. Zwei Drittel dieser Schweine stammen aus konventioneller Haltung und verbringen ihr gesamtes Leben im Stall. In der vorliegenden Arbeit wurde anhand einer Verhaltensstudie untersucht, ob das Wohlbefinden von Mastschweinen in konventioneller Haltung eingeschränkt ist. Daraus wurden gesellschaftspolitische Folgerungen für die Schweizer Schweinehaltung abgeleitet. Die Verhaltensstudie fand von April bis Mai 2024, auf dem Batzwilhof in Bützberg statt. Es wurde das Verhalten von 40 Mastschweinen in konventioneller Stallumgebung mit dem Verhalten der gleichen Tiere in seminatürlicher Umgebung (eingezäunte Wiese) verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Schweine in der konventionellen Stallumgebung vermehrt negative Verhaltensweisen (z.B. «Stangenbeissen») und in der seminatürlichen Umgebung vermehrt positive Verhaltensweisen (z.B. «Wühlen/Grasen») zeigten. Das Wohlbefinden von Mastschweinen in konventioneller Haltung ist somit eingeschränkt. Um dem natürlichen Verhalten der Tiere gerecht zu werden, muss die konventionelle Schweinehaltung optimiert werden (Strukturierung, Beschäftigungsmaterial). Die Umsetzung solcher Massnahmen hängt jedoch von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Faktoren ab.
Fragestellung
Ziel der Arbeit war es, zu untersuchen, ob das Wohlbefinden von Mastschweinen in der konventionellen Haltung eingeschränkt ist. Dazu wurde das Verhalten der Schweine in konventioneller Stallumgebung mit ihrem Verhalten in seminatürlicher Umgebung verglichen. Aus den Ergebnissen konnten anschliessend gesellschaftspolitische Folgerungen für die Schweizer Schweinehaltung abgeleitet werden.
Methodik
Die Verhaltensstudie fand auf dem Batzwilhof in Bützberg (April-Mai 2024) statt. Das Verhalten von 40 Mastschweine wurde in ihrer gewohnten konventionellen Stallumgebung und einer seminatürlichen Umgebung (Weide beim Stallgebäude) mittels Fokustierbeobachtung erfasst. Um das Befinden der Tiere beurteilen zu können, wurden 5 positiv (z.B. «Wühlen/Grasen») und 5 negativ zu wertende Verhaltensindikatoren (z.B. «Stangenbeissen») definiert. Vor der Verhaltensstudie wurde ein Beobachterabgleich durchgeführt, da mehrere Personen an den Beobachtungen beteiligt waren. Das Verhalten jedes Mastschweins wurde während einer Beobachtungsphase von 20 Minuten in den beiden Umgebungen erfasst. Daraus wurde die Auftrittshäufigkeit der Verhaltensindikatoren pro Schwein berechnet. Im Rahmen der zweiten Fragestellung wurden die Resultate in einen gesellschaftspolitischen Kontext gestellt. Es wurde diskutiert, inwiefern die Schweizer Schweinehaltung den Bedürfnissen der Schweine gerecht wird und wie sie optimiert werden könnte.
Ergebnisse
In konventioneller Stallumgebung zeigten die Mastschweine durchschnittlich 10.6-mal «Pseudowühlen» und 2.5-mal «Stangenbeissen». In seminatürlicher Umgebung dominierte «Wühlen und Grasen» (15 Beobachtungen pro Schwein). Zudem zeigten die Schweine weniger «Positive soziale Interaktion» in konventioneller Stallumgebung (5.6 vs. 10.2 Beobachtung pro Schwein) und weniger «Sozial- und Laufspiel» (1.5 vs. 9.4) als in seminatürlicher Umgebung.
Diskussion
Die negativ zu wertenden Verhaltensweisen wurden vermehrt in konventioneller Stallumgebung und die positiv zu wertenden Verhaltensweisen vermehrt in seminatürlicher Umgebung ausgelebt. Es hat sich bestätigt, dass die natürlichen Verhaltensweisen (z.B. «Wühlen/Grasen») als Instinkthandlung tief in den Genen des Hausschweins verankert sind. Können diese natürlichen Verhaltensweisen in konventioneller Haltung nicht ausgelebt werden, treten Ersatzhandlungen (z.B. «Pseudowühlen») auf. Die aufgestellte Hypothese, dass das Wohlbefinden der Mastschweine in konventioneller Haltung eingeschränkt ist, hat sich somit bestätigt.
Die Studie ist einzigartig, durch den Vergleich derselben Tiere in zwei Umgebungen und könnte als Basis für weitere Forschungen in der Nutztierethologie dienen. Optimierungspotenzial besteht durch die Berücksichtigung des Zeitfaktors, zusätzlichen Verhaltensweisen und mehr Individuen.
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse zeigen, dass die konventionelle Haltung den Bedürfnissen der Schweine nicht gerecht wird. Verbesserungen wie Strukturierung des Untergrunds mit Stroh, mehr Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten sollten Mindeststandard werden. Ein Systemwandel ist nötig und kann nur durch das gemeinsame Handeln von Produzierenden, Zwischenhandel, Politik und Konsumierenden verwirklicht werden.
Würdigung durch die Expertin
Dr. Antonia Ruckli
Die Maturaarbeit von Nicole Fuhrimann leistet einen wertvollen Beitrag zur Diskussion über das Wohlbefinden von Mastschweinen. Mit wissenschaftlicher Sorgfalt wurde das Verhalten von Mastschweinen in konventioneller und semi-natürlicher Haltung verglichen. Die Arbeit zeigt Fachwissen, analytische Kompetenz und ein Verständnis für die ethischen und gesellschaftlichen Dimensionen der Nutztierhaltung. Besonders hervorzuheben sind die differenzierte Analyse der Haltungseinflüsse und praxisnahe Maßnahmen. Die Studie regt zur Reflexion an und unterstreicht die Notwendigkeit eines Systemwandels.
Prädikat:
sehr gut
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Gymnasium Oberaargau Langenthal
Lehrerin: Angela Bachmann