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Florian Hebeisen, 2005 | Sutz-Lattrigen, BE

 

In drei Fallstudien wurde untersucht, inwiefern es beim Einsatz digitaler Kampagnenwerkzeuge bei eidgenössischen Abstimmungen parteipolitische Unterschiede gibt. Insbesondere interessierte die Frage, warum kampagnenverantwortliche Personen aus dem linken und aus dem rechten Lager die digitalen Kampagnenwerkzeuge microtargeting und Crowd-Campaigning unterschiedlich einsetzen und deren strategische Bedeutung im Abstimmungskampf unterschiedlich bewerten. In vier Leitfadengesprächen wird darüber hinaus der Frage nachgegangen, inwiefern sich kampagnenverantwortliche Personen ihrer Verantwortung bewusst sind, dass digitale Kampagnenwerkzeuge nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren in Bezug auf die direkte Demokratie haben. Die Studie zeigt, dass linke kampagnenverantwortliche Personen digitale Werkzeuge intensiver einsetzen als rechte, was mit Ressourcen und Kosten begründet wird. microtargeting wird jedoch in den untersuchten Kampagnen nicht genutzt, weil die Vorteile in der Schweiz aufgrund der kleinen Grösse nicht zum Tragen kommen. Besorgniserregend ist der Befund, dass sich die kampagnenverantwortlichen Personen in beiden politischen Lagern kaum der demokratiepolitischen Gefahren bewusst sind, die von dem Einsatz digitaler Kampagnenwerkzeuge ausgehen können.

Fragestellung

(I) Werden digitale Kampagnenwerkzeuge in rechten und linken eidgenössischen Abstimmungskampagnen unterschiedlich eingesetzt? (II) Inwiefern unterscheiden sich linke und rechte kampagnenverantwortliche Personenhinsichtlich der Einschätzung möglicher Gefahren in Bezug auf die direkte Demokratie?

Methodik

In einem ersten Schritt wurden drei digitale Kampagnen einer beschreibenden Analyse unterzogen, welche insbesondere auch auf das Kriterium der Inhaltsgestaltung fokussiert. In einem zweiten Schritt wurde mit den kampagnenverantwortlichen Personen der drei Kampagnen Leitfadeninterviews geführt und ausgewertet. Die Befunde wurden in einem Experteninterview validiert und eingeordnet.

Ergebnisse

Die beschreibenden Analyse zeigt, dass alle Kampagnen sehr professionell arbeiten. Es werden in allen Kampagnen Signalfarben verwendet. Es wurde ein grosser Unterschied zwischen linken und rechten Kampagnen festgestellt. So setzten linke Kampagnen digitale Kampagnenwerkzeuge häufiger ein als rechte. Grosse Teile der digitalen Kampagne werden an Agenturen abgegeben, wobei dies bei rechten Kampagnen stärker der Fall ist. microtargeting wurde in keiner der untersuchten Kampagnen angewendet. Die kampagnenverantwortlichen Personen sind sich zwar ihrer Verantwortung bezüglich des Einsatzes von digitalen Kampagnenwerkzeugen bewusst, sind sich jedoch nicht einig bezüglich der konkreten Gefahren.

Diskussion

Die beobachteten Unterschiede zwischen linken und rechten Kampagnen im Einsatz von digitalen Kampagnenwerkzeugen weisen darauf hin, dass kosteneffiziente digitale Werkzeuge für die finanziell schwächeren linken Kampagnen attraktiver sind als für die rechte Konkurrenz. Speziell der Bereich des Crowd-Campaigning zeigt eine grosse Weiterentwicklung, was auf eine erstarkte Civic-Tech Branche hinweist. Dies kann positive Effekte auf die Digitalisierung von Staatsabläufen haben. Der nicht vorhandene Einsatz von microtargeting ist darauf zurückzuführen, dass die Vorteile des microtargeting in der kleinen Schweiz kaum zum Tragen kommen. Die beobachtete Auslagerung der digitalen Kampagne an private Agenturen führt zu einer Stärkung dieser. Diese Stärkung ist im Zusammenhang mit Machstrukturen kritisch zu beurteilen. Das Bewusstsein von kampagnenverantwortlichen Personen hinsichtlich ihrer Verantwortung beim Einsatz digitaler Kampagnenwerkzeuge ist zwar vorhanden, es fehlt jedoch weitgehend ein Problembewusstsein hinsichtlich der Gefahren in Bezug auf direkte Demokratien.

Schlussfolgerungen

Die Befunde dieser Studien können kampagnenverantwortlichen Personen helfen, die Vor- und Nachteile digitaler Kampagnenwerkzeuge zu erkennen. Gegenwärtig wird zwar microtargeting nicht eingesetzt, jedoch sollten aufgrund der grossen potenziellen Gefährdung Entwicklungen in diesem Bereich beobachtet werden. Aus den Interviews mit kampagnenverantwortlichen Personen geht schliesslich hervor, dass in der Gesellschaft und in der Politik die Debatte zum Einsatz von digitalen Kampagnenwerkzeugen und möglicher Gefahren für die Demokratie viel zu wenig geführt wird. Eine reflektierte Debatte zum Einsatz digitaler Kampagnenwerkzeugen wäre für gesetzgebende und regulierende Instanzen hilfreich.

 

 

Würdigung durch den Experten

Prof. Dr. Vinzenz Wyss

Warum setzen politisch links stehende Kampagnenverantwortliche im Abstimmungskampf digitale Kampagnenwerkzeuge wie Microtargeting und Crowd-Campaigning anders ein als rechts stehende Campaigner? Diese Frage leitet die empirische Studie von Florian Hebeisen. Der Forscher interessiert sich für die Chancen und Risiken digitaler Kampagnen für die direkte Demokratie, engagiert sich selbst in diesem Politikfeld und will sich im Studium vertieft damit auseinandersetzen. Er wagt sich auf ein kaum erschlossenes Forschungsfeld und generiert Wissen, das Campaigner durchaus zur Reflexion anzuregen vermag.

Prädikat:

sehr gut

 

 

 

Gymnasium Biel-Seeland
Lehrer: Stefan Bütikofer