Literatur  |  Philosophie  |  Sprache

 

Anja Feldmann, 2003 | Grüningen, ZH

 

Lesen wird aus verschiedenen Gründen geschätzt: zur Unterhaltung, zur Flucht aus der Realität oder zur Erweiterung geistigen und spirituellen Wissens. Ein weniger offensichtlicher, aber wichtiger Grund ist die Stressreduktion, die sich positiv auf die Entspannung auswirkt – ein bedeutender Aspekt für die mentale Gesundheit. Studien zeigen, dass besonders chronischer Stress diese negativ beeinflusst.
Daran knüpft diese Arbeit an und untersucht, ob Unterschiede in der Stressreduktion zwischen dem Lesen von Papier und vom Display bestehen. Frühere Studien verglichen diese Medien bereits bezüglich Textverständnis und Immersion – also der Wissensaufnahme und dem Eintauchen in Geschichten.
Zur Schließung der Forschungslücke wird ein Experiment durchgeführt, das die Stressreduktion beim Lesen beider Medien erfasst. Zusätzlich werden Daten zu Textverständnis und Immersion erhoben, um sie mit bestehenden Studien zu vergleichen und die Validität der Ergebnisse zu prüfen.
Das Experiment mit 40 Proband*innen verwendet zwei Kurzgeschichten. Es zeigt sich die Tendenz, dass Lesen auf Papier im Vergleich zum Display zu besserer Stressreduktion führt. Auch Textverständnis und Immersion sind auf Papier tendenziell stärker ausgeprägt. Diese Ergebnisse bestätigen den aktuellen Wissensstand und belegen die Zuverlässigkeit der erfassten Daten.

Fragestellung

Untersucht wird, ob das Lesen auf Papier im Vergleich zum Display zu besserem Textverständnis (H1), stärkerer Immersion (H2) und einer besseren Stressreduktion (H3) führt.
Während bestehende Studien bereits negative Effekte von Displays auf das Textverständnis zeigen, wird in dieser Arbeit erstmals auch die Wirkung auf die Entspannung (H3) erfasst. H1 und H2 dienen der Validierung des Experiments, H3 steht im Fokus der Untersuchung.

Methodik

Ein Experiment mit 40 Proband:innen wurde durchgeführt. Vor und nach dem Lesen wurden standardisierte Fragebögen ausgefüllt.
Ablauf:
1. Erhebung der Ausgangsstimmung
2. Lesen der ersten Kurzgeschichte (Papier oder Display)
3. Fragebogen zur Immersion
4. Erneute Stimmungsmessung
5. Test zum Textverständnis
6. Fünfminütige Pause (Neutralisierung der Stimmung)
7. Wiederholung mit anderem Medium
Zur Vermeidung von Reihenfolgeeffekten wurden Medium und Geschichte systematisch variiert. Die Versuchsdauer betrug etwa 20 bis 30 Minuten pro Person. („betrug lag“ war doppelt gemoppelt)
Materialien:
• Zwei Kurzgeschichten von Arkadij Awertschenko
• Tablet mit einer E-Reader-App und gedruckte Booklets
• Fragebögen zu Textverständnis, Immersion und Stimmungslage
Die Auswertung erfolgte mit statistischen Tests zur Analyse von Gruppenunterschieden.

Ergebnisse

Textverständnis: Lesen auf Papier zeigt tendenziell bessere Ergebnisse als auf dem Display. Die Resultate unterstützen H1 und den aktuellen Forschungsstand, sind jedoch statistisch nicht signifikant – laut Power-Analyse bedingt durch die geringe Teilnehmerzahl.
Immersion: Auch hier zeigt sich eine Tendenz zugunsten des Papiers. H2 wird gestützt, statistische Signifikanz bleibt jedoch aus, was ebenfalls auf die Stichprobengröße zurückgeführt wird.
Stimmungslage: Zwei von zehn Kategorien (Müdigkeit, Trauer bei Geschichte A) weisen statistische Signifikanz auf. Die restlichen Ergebnisse bleiben unterhalb der Signifikanzschwelle, was ebenfalls durch die Power-Analyse erklärt wird.

Diskussion

Die Tendenzen deuten darauf hin, dass Lesen auf Papier zu besserem Textverständnis und höherer Immersion führt. Dies unterstützt H1 und H2 und stimmt mit der aktuellen Forschung (Delgado et al., 2018; Haddock et al., 2020; Mangen & Kuiken, 2014) überein. Trotz fehlender Signifikanz gelten die Daten daher als verlässlich.
Auch bei H3 zeigt sich: Papier eignet sich besser zur Stressreduktion als ein Display. Besonders Trauer und Müdigkeit nehmen beim Lesen vom Tablet eher zu, beim Lesen von Papier eher ab. Hoffnungslosigkeit sinkt in beiden Fällen, jedoch stärker bei Papier. Positive Stimmung zeigt keine klare Tendenz. Zorn nimmt allgemein zu, wobei sich je nach Geschichte unterschiedliche Muster zeigen.

Schlussfolgerungen

Lesen auf Papier eignet sich tendenziell besser zur Stressreduktion. Zudem bestätigen die Ergebnisse bestehende Erkenntnisse zum Textverständnis und zur Immersion. Die Daten können trotz begrenzter Stichprobe als zuverlässig bewertet werden.

 

 

Würdigung durch die Expertin

Cristina Tulea

Anja Feldmann hat in ihrer Arbeit eindrucksvoll bewiesen, dass sie sich mit gesellschaftsrelevanten Fragestellungen wissenschaftlich fundiert auseinandersetzen kann. Ihr Thema wurde theoretisch auf hohem Niveau eingeleitet, wobei sie zentrale Konzepte präzise und klar strukturiert herausgearbeitet hat. Besonders bemerkenswert ist die Differenziertheit ihrer Analyse sowie die aussergewöhnliche Detailtiefe, mit der sie ihre Fragestellung beleuchtet hat. Sie beweist bereits ein Gespür für komplexe Zusammenhänge und eine präzise Ausdrucksweise in ihrer ersten wissenschaftlichen Ausarbeitung.

Prädikat:

gut

 

 

 

Berufsmaturitätsschule Zürich
Lehrer: Daniel Wittberger