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Anouk Freitag, 2005 | Uetikon am See, ZH

 

Wie kann ich eine Person porträtieren, ohne den Fokus auf ihr Gesicht oder ihren Körper zu legen? Mit unterschiedlichen gestalterischen Ansätzen werden Menschen anhand von ihren persönlichen Objekten und deren individuell geprägten Ordnung porträtiert. Mittels einer breiten Palette von gestalterischen Techniken entsteht ein Ensemble von grafischen Produkten.

Fragestellung

Meine Arbeit geht der Frage nach, mit welchen Mitteln eine Person porträtiert werden kann, ohne den Fokus auf Gesicht und Körper zu legen. Ich empfinde es als relevant, eine Form der Annäherung zu finden, die auf dem basiert, was Personen jenseits ihres Aussehens ausmacht und dennoch visuell eingefangen werden kann. Durch diese Verlagerung eröffnen sich neue Möglichkeiten der Annäherung.

Methodik

Im Mittelpunkt stehen fünf Personenporträts. Die Grundlage dafür sind Besuche im privaten Umfeld ausgesuchter Personen. Ich begebe mich in die Rolle der Reporterin, Rechercheurin, Dokumentalistin und Gestalterin. Als Gestalterin analysiere ich meine Bilder und die im Journal festgehaltenen Beobachtungen und porträtiere die Personen in Form eines multimedialen Ensembles. Ich evaluiere und erprobe unterschiedliche gestalterische Mittel wie grafische Reduktion, Typographie, Fotografie, Zeichnung und digitale Montage (InDesign), um diese danach bewusst für das entsprechende Porträt einzusetzen.

Ergebnisse

Die Wahl des gestalterischen Mittels beeinflusst die Darstellung der Person stark, deshalb ist es essenziell das passende Mittel zu finden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Mittels grafischer Reduktion und digitaler Montage werden Objekte und Ordnungssysteme aus dem räumlichen Kontext genommen und erhalten eine verstärkte Präsenz. Wichtig ist, grafische Reduktionen nur einzusetzen, wenn diese mehr erzeugen als die Fotografie, welche bereits für sich steht und nicht zwingend weiterverarbeitet werden muss. Die Tuschzeichnung ist ein passendes Mittel, um den emotionalen Aspekt eines Objekts einzufangen. Der weiche und lockere Pinselduktus verleiht dem Objekt Individualität. Möglicherweise können interessante Details durch die Reduktion einer linearen Zeichnung verloren gehen. Mittels Typographie gelingt es, Bildmaterial mit einer narrativen Ebene aufzuladen. Fotografie wird eigesetzt, wenn die Gestalterin möglichst wenig eingreifen will. Doch auch Bildausschnitt, Perspektive und Belichtung beeinflussen die Porträts, das heisst auch bei dokumentarischen Aufnahmen greife ich gestalterisch ein.
Die Endprodukte, die in Anwendung der oben aufgeführten Mittel zustande kommen, sowie die Dokumentation in Arbeitsjournalen ermöglichen in die gestalterische Auseinandersetzung einzutauchen.

Diskussion

Die Portraits untersuchen Aspekte der Themenbereiche Objekt und Ordnung. Die beim Portraitieren gewonnenen Erkenntnisse bilden die Basis der gestalterischen Endprodukte. Das Porträt einer Freundin setzt sich mit Ordnungsmustern auseinander. Leerstellen, die auf die Präsenz von etwas hinweisen, das einmal da war, eröffnen den Vorstellungsraum der Betrachtenden. Das Endprodukt ist eine gestalterische und spielerische Formenstudie in einem Heft. Wenn der Nachbar vor und während des Besuchs Ordnung herzustellen versucht, wird klar, dass Ordnung kein wertfreier Begriff ist. Die Fotografien seiner Wohnräume sind in einem Leporello zusammengestellt. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass auch in dieser vermeintlichen Unordnung eine Form von Ordnung zu finden ist. Das Porträt des Grossvaters setzt sich mit dem narrativen Aspekt einer Objektsammlung auseinander. Tuschzeichnungen in Form von Postkarten, hinterlegt mit einer Audiospur, zeigen auf, dass Objekte Repräsentanten für Erinnerungen und emotional aufgeladen sein können. Die Objektsammlung wird in einem Heft nach verschiedenen Kriterien neu geordnet. Die Objekte des Porträtierten dienen ihm als Auslöser für Erzählungen. Die Grenze zwischen Objekt und Sammler scheint zu verschwimmen, da diese in einer engen Verbindung stehen.

Schlussfolgerungen

So unerschöpflich die Individualität der Menschen ist, so sind es auch die Mittel des Porträtierens. Aus diesem Grund wählte ich eine Reduktion auf einzelne Aspekte. Es sind dabei subjektive Porträts entstanden, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben. Mein Anliegen bestand darin, den Fokus weg vom Aussehen einer Person zu bewegen, was mir mit den verschiedenen gestalterischen Endprodukten vielseitig gelungen ist. Diese Arbeit hat mir neue inhaltliche und gestalterische Felder eröffnet, von denen ich erst einen Bruchteil erkundet habe. Die weitläufigen Themenfelder haben mich neugierig gemacht und werden mich in Zukunft weiterhin beschäftigen.

 

 

Würdigung durch die Expertin

Marianna Helen Meyer

Anouk Freitag ist als Gestalterin der spannenden Frage nachgegangen, wie sich Menschen porträtieren lassen, ohne dass sie dabei abgebildet werden. Mit dieser Ausgangslage hat sie Menschen in ihrem Zuhause besucht, ihre Objekten und Ordnungen dokumentiert und daraus mit verschiedenen gestalterischen Mitteln ein Ensemble an Porträts erstellt. Auf ihrem Weg als forschende Gestalterin hat Anouk Freitag eine sehr eigenständige und reflektierte Vorgehensweise gewählt und so eine facettenreiche und tiefgründige Arbeit kreiert.

Prädikat:

hervorragend

Sonderpreis «Genius Olympiad – Art» gestiftet von der U.S. Embassy Bern

 

 

 

Kantonsschule Küsnacht
Lehrerin: Laura Hew