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Landelin Schaub, 2003 | Basel, BS

 

Wie sollen wir Nutztiere behandeln? Wie können wir eine enge Beziehung zu Tieren aufbauen und sie trotzdem schlachten? Diese Fragen müssen wir uns in unserer Zeit immer mehr stellen. Die Fleischindustrie wird immer grösser, es werden immer mehr Tierprodukte konsumiert und immer mehr Menschen werden für dieses Thema sensibilisiert. Zwischen Mensch und Tier herrscht eine ambivalente Beziehung, die zwischen liebevoller Zuneigung und Ausnutzung variiert. Sobald das Präfix Nutz- vor das Wort Tier kommt, werden sie eingesperrt und als Wirtschaftsobjekt behandelt. Das Buch «Nutztier» ist eine künstlerische Forschung, die sich mit Hilfe von philosophischen Theorien und Fotografie auf das Thema Nutztier konzentriert, genauer gesagt, auf die Beziehung von Mensch und Nutztier und wie sich ein anderer Umgang mit Tieren begründen lässt.

Fragestellung

Die Arbeit stützt sich auf zwei Fragen: (I) «Wie lässt sich ein anderer Umgang mit Tieren moralphilosophisch begründen?» und (II) «Wie lässt sich die Ambivalenz dieser Beziehung fotographisch darstellen?». In dieser Arbeit geht es darum Gründe zu finden, Nutztiere auf eine andere Weise zu behandeln, und dies mit Hilfe von einer ”künstlerischen Forschung“, zu unterstreichen. Die Hypothese wurde so formuliert: «Im Umgang von Landwirt*in und “Nutztier” zeigt sich eine Amivalenz zwischen Zuneigung und wirtschaftlichem Nutzen.»

Methodik

Zu Beginn der Arbeit beschäftigte ich mich mit verschiedenen Theorien und Texten von Philosophen und Philosophinnen, darunter Immanuel Kant, Peter Singer usw. Die Fotografien wurden hauptsächlich im Emmental gemacht: in einem Aufzuchtsbetrieb, auf einem Hühnerhof, auf einer Viehauktion und in einer Metzgerei im Kanton Zürich. Die Fotografien konzentrieren sich auf die Beziehung zwischen Mensch und Nutztier – also auf bestimmte Momente, in denen Mensch und Nutztier miteinander interagieren. Die Fotografien sollten auch den Ablauf des Lebens eines Nutztiers festhalten. Alle Fotografien wurden in analogen Techniken umgesetzt, die meisten in Schwarz-Weiss. Alle wurden von mir selbst entwickelt und digital bearbeitet. Im letzten Teil der Arbeit kommt der theoretische und der praktische Teil zusammen, ich suchte nach Übereinstimmungen zwischen den philosophischen Theorien und den Fotografien. Diese Verbindungen ergaben meine Ergebnisse. Ich erstellte auf InDesign mein Buch mit der Fotoserie und dem Text, liess es drucken und binden.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, dass der Landwirt eine sehr liebevolle Beziehung zu seinen Nutztieren hat. Gleichzeitig sieht man in den Fotografien auch wie eingesperrt und wie ungleich die Machtverhältnisse sind. Dies zeigt, dass immer noch eine klare Trennung zwischen Mensch und Tier gezogen wird, so wie es zum Beispiel die Anwendung des Arguments der menschlichen Grenzfälle in Bezug auf Tiere verlangt wird. Das gleiche auf der Auktion und im Schlachthof, dort wird klar, dass die Nutztiere zu einem Wirtschaftsobjekt werden. Im Zusammenhang mit dem theoretischen Hintergrund kann man erkennen, dass sich die menschlichen Tiere immer noch auf den Grundsatz aus der Bibel beziehen, über Andere herrschen wollen und über Leben und Tod entscheiden.

Diskussion

Die Zuneigung des Landwirts zeigt sich in zärtlichen Gesten gegenüber seinen Tieren und in seiner harten Arbeit. Die Hypothese wurde aber bestätigt, es zeigt sich auch eine ganz andere Seite: In der offensichtlichen Gefangenschaft der Tiere, das Ziel Profit zu machen. Die gesammelten Daten weisen auf die Notwendigkeit hin unser Umgang mit Nutztieren zu ändern, gerade im theoretischen Teil gibt es klare Argumente dafür. Jedoch ist es schwierig aus allen Daten, eine ganz klar belegte Antwort auf die Fragestellungen zu finden. Trotzdem kann eine Schlussfolgerung gezogen werden, die aber auch auf Fakten basieren welche eventuell auch anders interpretiert werden könnten.

Schlussfolgerungen

Der theoretische Hintergrund hat klare Gründe für das schonungslose Leiden der Nutztiere aufgezeigt. Das gesellschaftliche System basiert vereinfacht zusammengefasst auf der Idee: Das Tier hat keine Seele. Moralphilosophisch und ethisch gibt es daran überhaupt keinen Zweifel, dass jedes Lebewesen, das die Fähigkeit zum Leiden und zur Freude hat, auch ein Recht zur Wahrung seiner Würde hat, gleich wie der Mensch. Wichtig ist auch, dass Personen in dieser Arbeitsbranche nicht mehr schuldig als alle Konsument*innen sind. Solange sich der Konsum von Tierprodukten nicht komplett verändert, wird dieses Dilemma und die ambivalente Haltung zwischen Mensch und Tier bestehen bleiben.

 

 

Würdigung durch den Experten

Simon Mader

Landolin Schaub greift mit seiner Arbeit «Nutztier» ein aktuelles und gesellschaftlich relevantes Thema auf. Einhergehend mit der präzisen theoretischen Recherche dokumentiert er den Lebenszyklus dieser Tiere mit dem Medium Fotografie. Künstlerisch-forschend stellt er mit seinen Bildern die Ambivalenz zwischen Zuneigung und wirtschaftlichem Nutzen im Umgang mit Nutztieren dar. Mit seinem differenzierten Blick auf das Geschehen und einer treffenden Bildauswahl setzt Landolin Schaub die fotografische Dokumentation in seiner Arbeit als stringentes Narrativ ein.

Prädikat:

sehr gut

Sonderpreis «Einen Tag auf dem Campus der Künste Basel» gestiftet von der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW

 

 

 

Gymnasium am Münsterplatz, Basel
Lehrer: Marcel Knaus