Mathematik  |  Informatik

 

Chiara Willimann, 2006 | Schenkon, LU

 

Ein tiefes Verständnis der Finanzmärkte und ihrer Dynamik ist entscheidend für die Stabilität des Finanzsystems. Es ermöglicht die Erkennung und Abschätzung potenzieller Risiken sowie die Optimierung von Anlagestrategien und Portfolios für Investoren. Eine angemessene Modellierung der Aktienkursbewegungen ist dafür unerlässlich. Diese Arbeit untersucht die Anwendung eines Random-Walk-Modells mit t-verteilten Schrittlängen und analysiert Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen modifizierten random walks und realen Aktienkursen anhand von Daten der Schweizer Börse.

Fragestellung

(I) Welche Eigenschaften weisen einfache, symmetrische random walks auf? (II) Wie können sie modifiziert werden, um Aktienkurse besser zu modellieren? (III) Worin unterscheiden sich das Random-Walk-Modell im Vergleich mit historischen Kursdaten? (IV) Welche Schlussfolgerungen lassen sich zur Korrektheit der Random-Walk-Theorie ziehen?

Methodik

Nach einer Einführung in die Random-Walk-Theorie und die relevanten Begriffe des Aktienmarkts werden die Eigenschaften einfacher, symmetrischer random walks hinsichtlich Null- und Extremstellen präsentiert. Das Random-Walk-Modell wird bezüglich der Schrittlänge modifiziert. In einem zentralen Abschnitt der Datenanalyse wird das definierte Random-Walk-Modell mit empirischen Kursdaten von börsengehandelten Aktien abgeglichen. Drei Vergleichsmethoden werden mittels Python implementiert: visueller Vergleich, Analyse von Null- und Extremstellen sowie Suche nach ähnlichen Abschnitten auf langen random walks. Der visuelle Vergleich mehrerer Aktienkurse und einer gleichen Anzahl random walks gewährt einen groben Überblick. Weiter werden Null- und Extremstellen ausgewertet und grafisch dargestellt. Die dritte Methode basiert auf der Suche eines ähnlichen Abschnitts auf einem random walk mit einer Million Schritten. Die dazwischenliegende Fläche wird jeweils ausgewertet und dessen Bedeutung diskutiert. Abschliessend werden die Ergebnisse interpretiert und die Aussagekraft der Random-Walk-Theorie wird diskutiert.

Ergebnisse

Es konnte gezeigt werden, dass eine Modifizierung des Random-Walk-Modells bezüglich Schrittlänge sinnvoll ist. Anhand empirischer Daten konnte aufgezeigt werden, dass eine Verwendung der Normalverteilung zur Modellierung der Schrittlängen unpassend ist. Die Normalverteilung führt zu einer Verzerrung der Risikomodellierung von Extremevents, was in diesem Kontext sehr grossen Kursschwankungen in einem kurzen Zeitabschnitt entspricht. Als passender stellt sich die Modellierung der Schrittlängen mit einer ‘heavy-tailed’ -Verteilung heraus, wobei anhand der echten Kursdaten eine t-Verteilung mit 4 Freiheitsgraden sich als passend herausgestellt hat. Der anschliessende Vergleich zeigt auf, dass beträchtliche Gemeinsamkeiten zwischen dem gewählten Modell und Aktienkursen bestehen. Der visuelle Vergleich zeigt auf, dass sich die Einzelaktien teilweise nicht unabhängig voneinander bewegen. Diese Beobachtung steht jedoch nicht in Verbindung mit der Unabhängigkeit der einzelnen Schritte innerhalb einer Zeitreihe einer Aktie.

Diskussion

Es konnte gezeigt werden, dass bedeutende Gemeinsamkeiten zwischen dem gewählten Modell der modifizierten random walks und der analysierten Kursbewegungen vorliegen. Die drei angewendeten Methoden zum Vergleich zeigen Ähnlichkeiten, trotzdem werden auch Unterschiede deutlich. Eine Schwäche des Modells stellt das Phänomen des ‘Volatility Clustering’ dar, wo besonders grosse oder kleine Schrittgrössen mit grösserer Häufigkeit direkt aufeinander folgen. Bezüglich der Vergleichsmethoden besteht teilweise die Einschränkung der visuellen Beurteilung, was die Interpretation erschweren kann.

Schlussfolgerungen

Im Rahmen dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die tägliche Veränderung der Schlusskurse der analysierten Aktien nicht einer Normalverteilung folgen. Bezüglich der allgemeinen Anwendbarkeit des modifizierten Random-Walk-Modells ist trotz der ausgiebigen Analysen durch drei verschiedene Methoden kaum eine allgemeingültige Aussage möglich. Dennoch konnte aufgezeigt werden, dass Gemeinsamkeiten bestehen, was aber nicht die Korrektheit der Random-Walk-Theorie abschliessend beweisen kann. Gerade auch die unterschiedlichen Meinungen unter Experten bezüglich der Random-Walk-Theorie zeigt den weiteren Untersuchungsbedarf auf.

 

 

Würdigung durch den Experten

Dr. Xavier Richard

Chiara Willimann wagte den Versuch, den Traum aller Finanzmagnaten zu verwirklichen: Aktienkurse mithilfe eines mathematischen Modells des zweidimensionalen Random Walks vorherzusagen. Während ihres gesamten Projekts zeigte sie die Motivation und Neugierde, die für die Forschung in der Mathematik unerlässlich sind. Die Arbeit beeindruckt sowohl durch Qualität und Relevanz der durchgeführten numerischen Simulationen als auch durch ihr Verständnis der Herausforderungen, des Nutzens und vor allem der Grenzen eines mathematischen Modells in Bezug auf die Komplexität des realen Aktienmarktes.

Prädikat:

hervorragend

Sonderpreis «Exporecerca Jove – Barcelona Science Fair» gestiftet von der SJf-Trägerschaft

 

 

 

Kantonsschule Sursee
Lehrer: Michael Muri