Physik | Technik
Johannes Stölzle, 2007 | Arbon, TG
In dieser Arbeit wird ein Berechnungsmodell erstellt, das die geeignetste Antriebstechnologie für Züge auf einer ausgewählten Strecke ermittelt. Für die Untersuchung werden die Antriebstechnologien Wasserstoff, Batterieelektrik und Diesel berücksichtigt und über einen Horizont von 30 Jahren im Hinblick auf das Kostenziel verglichen. Die Analyse ergibt, dass der Batteriezug langfristig auf der Strecke Radolfzell – Friedrichshafen die optimale Technologie darstellt. Zusätzlich werden verschiedene Modellparameter verändert und deren Einfluss auf das Ergebnis untersucht. Der Vergleich beschränkt sich auf Anschaffungs- und Antriebskosten.
Fragestellung
In der Wissenschaft bestehen momentan die folgenden drei Forschungslücken: (I) Wie hoch sind die Gesamtkosten über die Betriebszeit für Wasserstoff- / Batteriezüge auf der Strecke Radolfzell – Friedrichshafen? (II) Wie schneiden diese Gesamtkosten im Vergleich mit dem Dieselzug auf dieser Strecke ab? (III) Welche Antriebstechnologie ist streckenspezifisch am geeignetsten?
Um diese Lücken zu schliessen, beantwortet die Arbeit folgende Fragestellung: Wie kann ein Berechnungsmodell für die kostenoptimale Wahl einer geeigneten Antriebstechnologie für Züge am Beispiel der Strecke Radolfzell – Friedrichshafen unter Berücksichtigung der Antriebstechnologien Wasserstoff, Diesel und Batterieelektrik hergeleitet werden?
Methodik
Die Auswahl der geeigneten Antriebstechnologie basiert hier auf den Zielgrößen Investitions- und Antriebskosten, wobei als Einflussgrößen Zug-, Angebots- und Streckeneigenschaften sowie weitere Annahmen berücksichtigt werden. Anschliessend werden die Grössen mit spezifischen Werten der Strecke Radolfzell – Friedrichshafen ermittelt, die wirkenden Kräfte auf einen Zug hergeleitet und das Berechnungsmodell für jede Antriebstechnologie separat in einer Python-Skript aufgestellt, welches die Investitions- und Antriebskosten pro Jahr ausgibt. Schlussendlich ist es mithilfe der Jahreswerte möglich, ein Zeit-Kosten-Diagramm über den beobachteten Zeitraum zu erstellen.
Ergebnisse
Bei einem Energiepreis von 0.17 Euro pro kWh für den Batteriezug berechnet das Modell, dass der Dieselzug bis 12.5 Jahren auf der Strecke Radolfzell – Friedrichshafen aufgrund der geringen Anschaffungskosten am kostengünstigsten ist, jedoch dann vom Batteriezug in der Vorteilhaftigkeit abgelöst wird. Der Batteriezug weist nach 30 Jahren unter der Berücksichtigung der Investitions- und Antriebskosten einen Preis von 58 Mio. Euro auf, wohingegen der Wasserstoffzug bei 69 Mio. Euro und der Dieselzug bei 82 Mio. Euro liegen. Bei einem erhöhten Energiepreis von 0.37 Euro pro kWh für den Batteriezug zeigt das Ergebnis, dass der Dieselzug nach 17.5 Jahren vom Wasserstoffzug überholt wird. In dieser Modell-Variante ist Batterieelektrik nach 30 Jahren mit 95 Mio. Euro wohl wegen den erhöhten Antriebskosten die teuerste Antriebstechnologie. Bei Anwendung des Modells im Fernverkehr stellt sich heraus, dass der Wasserstoffzug am Ende der Beobachtungsdauer mit 100 Mio. Euro kostenmässig am geeignetsten ist, wohingegen der Batteriezug mit 270 Mio. Euro auf dem dritten Platz landet. Dies lässt sich mit der grossen Anzahl zu elektrifizierenden Kilometer und den damit verbundenen hohen Investitionskosten begründen.
Diskussion
Das erstellte Berechnungsmodell ist für andere Strecken anwendbar und übertragbar, vorausgesetzt, dass die vereinfachenden Annahmen beibehalten werden. Jedoch verhält sich das Modell anfällig gegenüber Parameteränderungen, was eine Prüfung der Sensitivität des Modells ergibt. Es ist zu berücksichtigen, dass das Resultat der Untersuchung nur auf Basis der Eingrenzungen und der ausgewählten Schätzungen Gültigkeit hat, denn es berücksichtigt beispielsweise keine Emissionen, Wartungskosten, dynamisches Verhalten der Antriebspreise o.ä.
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse repräsentieren einen belastbaren quantitativen Kostenvergleich der Zugantriebe Wasserstoff, Diesel und Batterieelektrik auf der gewählten Strecke. Dies ermöglicht nun eine kostenbasierte Entscheidung über den zukünftigen Antrieb auf der gewählten Strecke, mit Empfehlung bei tieferen Energiepreisen einen Batteriezug und bei höheren einen Wasserstoffzug auszuwählen. Entwicklungspotenzial liegt in der genaueren Abschätzung der Parameter, in der Modellierung der Unsicherheit jedes Parameters und in der Aufnahme weiterer Zielgrössen.
Würdigung durch den Experten
Prof. Dr. Reimond Wüst
Für die Ermittlung einer emissionsfreien und gleichzeitig effizienten Antriebstechnologie für Züge auf der nicht-elektrifizierten Bahnstrecke Radolfzell–Friedrichshafen hat Johannes Stölzle in seiner Praktikumsarbeit eine skalierbare und universell einsetzbare Berechnungsmethode in Python entwickelt. Wegen der vielen nicht-elektrifizierten Nebenstrecken in Deutschland und anderen europäischen Ländern ist die Zielsetzung der Projektarbeit sehr relevant. Die Untersuchung zeichnet sich durch eine gut recherchierte und sorgfältige Vorgehensweise aus und ist wissenschaftlich sehr gut dokumentiert.
Prädikat:
sehr gut
Sonderpreis «Energie» gestiftet vom Nuklearforum Schweiz
Kantonsschule Romanshorn
Lehrer: Christoph Schuhmair