Gestaltung | Architektur | Künste
José Joaquín Echeverría Bachmann, 2004 | Adliswil, ZH
Die Mikrotonalität bzw. der Gebrauch von Intervallen kleiner als ein Halbton, motivierte mich, Musik mit dieser Eigenschaft selbst zu kreieren.
Alle Instrumente wurden von mir selbst eingespielt und anschliessend gemischt und gemastert. Der Text befasst sich mit Gefühlen wie Gefangenschaft, Entfremdung und Ängstlichkeit.
Die Mikrotonalität im Stück wurde nun analysiert und tabellarisch veranschaulicht. Die vollständige Partitur des Stückes ermöglicht schliesslich die Analyse und eine allfällige Reproduktion.
Letztendlich habe ich meine Ziele erreicht und obwohl ich im Nachhinein vieles anders machen würde, bin ich mit dem Endprodukt zufrieden. «Mirrors» ist auf Bandcamp und Soundcloud unter dem Künstlernamen ‹José Joaquín Echeverría› verfügbar.
Fragestellung
Für diese Arbeit wollte ich ein Musikstück komponieren, das mit Mikrotonalität, Klang (In-strumente, Effekte) und Form (Taktarten, Motiven) experimentierte. Das Ergebnis sollte live spielbar und sowohl eingängig als auch experimentell sein und der Prozess möglichst kostenneutral. Als Ergänzung erhält das Stück nun noch eine präzis notierte, brauchbare Partitur.
Methodik
Die Recherche beinhaltete Musikenzyklopädien, YouTube-Videos und den Austausch mit meinem Betreuer Moritz Müllenbach. Ausserdem inspirierte mich das Album «Flying Microtonal Banana» von «King Gizzard and the Lizard Wizard» und Adam Neelys mikrotonale Lo-Fi Beats.
Anschliessend wurden verschiedene Demos aufgenommen. «Mirrors» beinhaltet Gitarrenriffs mit Flageoletttönen und greift auf die Erkenntnisse dieser Aufnahmen zurück. Die Gitarre hat dafür eine alternative «Skordatur» bzw. Stimmung. Die tiefste Saite hat eine Frequenz von 73.75 Hertz und von dieser ausgehend wurden fünf weitere Frequenzen für die restliche Saiten ausgewählt, die auf der Obertonreihe basieren. Diese weichen von den temperierten, üblich gebrauchten Noten um eine bestimmte Anzahl Cents ab. Die vierte Saite z.B. ist 31 Cents tiefer als das temperierte C.
Im Interlude werden jeweils zwei Töne zusammengespielt, die wegen ihrer Nähe schweben. Deren Frequenzwerte wurden tabellarisch festgehalten. Um diese zu berechnen, wurde zuerst die Frequenz der tiefsten Saite (73.75 Hz) mit dem zugehörigen Bruch des reinen Intervalls multipliziert (z.B. 73.75 mal 3/2, um die Quinte zu berechnen). Um die genaue Frequenz der gesuchten Töne auszurechnen, wurde die Frequenz der einzelnen leeren Saiten mit dem Faktor der zwölften Wurzel von zwei hoch der Zahl des gespielten Bundes multipliziert. So konnten anschliessend die Schwebungen und die Intervalle berechnet werden.
Jedes Instrument wurde separat aufgenommen und dann auf «Reaper» bearbeitet und gemischt. Anschliessend wurde mit dem Coaching von André Bellmont die Partitur mit «MuseScore» notiert. Letztendlich wurde die Mikrotonalität aufgrund der nun vorhandenen Resultate analysiert.
Ergebnisse
«Mirrors» ist ein Song mit einer Länge von 09:16 min und eine Melange aus Experimentieren mit Effekten, Klängen und Taktarten und stilechten musikalischen Parametern wie Rhythmus, Melodie, Orchestrierung und Form. Der Song ist für die Bühne konzipiert und aufführbar ohne Backing Tracks.
Interessant ist die Erkenntnis, das Intervall zwischen den Notenpaare im Interlude des Stückes 33 Cents beträgt. Da ein Abstand von 100 Cents ein temperierter Halbton darstellt, entsprechen die 33 Cents praktisch einem Sechstelton. Dies und die Werte der Schwebungen, die mit zunehmender Tonhöhe schneller werden, wurden auf einer Tabelle und einem Diagramm dargestellt.
Diskussion
Obwohl die Ziele grösstenteils erreicht wurden, hätte «Mirrors» die stilistischen Grenzen noch mehr ausloten dürfen. Auch hat das Ergebnis der Produktion sicher noch Luft nach oben. Eine intuitivere, einfachere «Digital Audio Workstation», wie «Logic», wäre vielleicht angemessener gewesen, da die Arbeit mit «Reaper» aufgrund der umfangreichen Möglichkeiten mich vor allem zu Beginn sehr viel Zeit kostete.
Schlussfolgerungen
Mikrotonalität und Rockmusik lassen sich zu einem eingängigen Produkt verschmelzen, welches durchaus experimentelle Eigenschaften zulässt. Die Mikrotonalität darf auch ausserhalb von gleichmässigen Temperaturen, wie dem temperierten Halbton- oder Vierteltonsystem funktionieren – in «Mirrors» beispielsweise mit alternativen Skordaturen und Flageoletten. Schwebungen und mikrotonale Skordaturen sind Eigenschaften, die im Rock und dessen verwandten Stile in Zukunft wohl mehr verwendet werden dürften. Eine präzise, zeitgenössische Partitur ermöglicht das Festhalten der Musik, um eine spätere Wiederaufführung zu gewährleisten.
Würdigung durch den Experten
Prof. André Bellmont
José Joaquín Echeverría Bachmann erforscht in seiner Arbeit Mikrotonalität in der Rockmusik. Der daraus resultierende neunminütige Art-Rock-Song «Mirrors», dessen Text sich mit Gefangenschaft, Ausgrenzung und Angst befasst, ist ein künstlerisch interessantes, durchaus gelungenes Experiment. José tritt dabei als alleiniger Performer (voc., guit., bass, drums) in Erscheinung. Seine schriftliche Arbeit ergänzt er mit einem eigens produzierten Tonträger und – für Rockmusik eher ungewöhnlich, für zeitgenössische mikrotonale Musik hingegen unumgänglich – einer präzise ausnotierten Partitur.
Prädikat:
hervorragend
Sonderpreis von der Stiftung Lucerne Festival
Kantonsschule Wiedikon, Zürich
Lehrer: Moritz Müllenbach