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Philipp Wegmann, 2004 | Winterthur, ZH

 

Die Volksinitiative «Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr» hatte zum Ziel, auf sämtliche elektronische Finanztransaktionen eine winzige Steuer von wenigen Promille zu erheben, im Gegenzug sollten die direkte Bundessteuer, die Mehrwertsteuer sowie die Stempelsteuer abgeschafft werden. In dieser Wettbewerbsarbeit wird untersucht, ob die Idee aus wirtschaftlicher, rechtlicher und politischer Sicht umsetzbar ist und ob sie dabei eine realistische Alternative zum heutigen Steuersystem darstellt. Dazu wurden mithilfe von Daten der Schweizerischen Nationalbank und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich das bargeldlose Transaktionsvolumen geschätzt und anhand von Fachliteratur und Interviews mit zwei Mitgliedern des Initiativkomitees die wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen erörtert. Neben einem historischen Überblick zum Thema wurde ausserdem mittels ähnlicher vergangener Volksabstimmungen die politische Umsetzbarkeit der Vorlage analysiert. Obwohl die Initiative inzwischen gescheitert ist, hätte sie nämlich durchaus das Potenzial gehabt, die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz nachhaltig zu verbessern, Privatpersonen zu entlasten und das Steuerwesen gewinnbringend zu revolutionieren.

Fragestellung

Ist die Volksinitiative «Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr» aus (I) wirtschaftlicher, (II) rechtlicher und (III) politischer Sicht umsetzbar?

Methodik

Nebst der Recherche mit Literatur und Gesetzestexten wurde anhand von Daten der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) der Zahlungsverkehr unter die Lupe genommen. Weitere Erkenntnisse konnten in Interviews mit zwei Mitgliedern des Initiativkomitees, Prof. Dr. Marc Chesney und Dr. Jacob Zgraggen, gewonnen werden.

Ergebnisse

Angesichts des enormen Transaktionsvolumens von knapp 150 Billionen Franken liessen sich schon mit einem Steuersatz von 0,032 % die direkte Bundessteuer, die Mehrwertsteuer sowie die Stempelsteuer ersetzen, unter der Voraussetzung, dass das Zahlungsvolumen konstant bleibt. Darüber hinaus würden der Hochfrequenzhandel eingedämmt, Bürokratie vermindert, die Konsumkraft gesteigert, neue Unternehmen angezogen und durch erhöhte Transparenz Steuerkriminalität bekämpft. Eine Mikrosteuer wäre ausserdem mit den Besteuerungsgrundsätzen der Bundesverfassung vereinbar, wobei die Steuerprogression gewährleistet bliebe. Im politischen Spektrum ist die Initiative eher links zu verorten, allerdings hätte sie aber bei einer Volksabstimmung angesichts ähnlicher vergangener Vorlagen kaum ernstzunehmende Chancen.

Diskussion

Die grösste Schwierigkeit beim Beantworten der Leitfragen war das Fehlen spezifischer Literatur. Daher musste auf Werke zurückgegriffen werden, welche zwar allgemeine Informationen zu Finanztransaktionssteuern anboten, einen Bezug zur Schweiz aber grösstenteils ausblendeten. Hinzu kamen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Datenanalyse. Da die gesamte Grösse des Zahlungsvolumens unbekannt ist, war es unumgänglich, sich zu einem bedeutenden Teil auf Schätzungen zu verlassen, und selbst die vorhandenen Statistiken waren eher veraltet. Erschwerend kam schliesslich noch hinzu, dass die Initiative selbst innerhalb des Komitees noch nicht genug konkretisiert war, so dass sich in den Interviews und bei der Literaturrecherche teilweise inhaltliche Widersprüche ergaben.

Schlussfolgerungen

Als Fazit ergibt sich, dass die Einführung einer Mikrosteuer in der Schweiz aus wirtschaftlicher Perspektive zahlreiche Vorteile hätte, allerdings aber auch das Risiko einer drastischen Reduktion der Bemessungsgrundlage birgt. Während die Initiative zudem aus rechtlicher Sicht umsetzbar gewesen wäre, hätte sie vor dem Stimmvolk kaum Bestand gehabt. Somit konnten die drei Leitfragen grundsätzlich beantwortet werden, dennoch verbleiben aufgrund fehlender Informationen zahlreiche Faktoren unklar. Die wichtigste offene Frage ist dabei jene, wie stark das Transaktionsvolumen bei der Erhebung einer Mikrosteuer zurückgeht, zumal davon die Höhe der Steuereinnahmen abhängt. Sollte also ein weiterer Anlauf zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer nach dem Konzept der Mikrosteuer in Erwägung gezogen werden, gilt es zunächst vertieft abzuklären, wie hoch und wie elastisch das Zahlungsvolumen in der Schweiz ist.

 

 

Würdigung durch den Experten

Daniel Huber

Das Thema, eine Perspektive zur Weiterentwicklung des Schweizerischen Steuersystems, ist ausgesprochen relevant, da das Steuersystem aufgrund der von der Digitalisierung ausgelösten Veränderungen zunehmend an seine Grenzen stösst. Die Arbeit ist systematisch aufgebaut und beeindruckt durch ihre überdurchschnittliche fachliche Breite und ihre klare und vielseitige Argumentation, für welche eine umfassende Recherche erforderlich war. Die Begeisterung des Autors für sein Thema ist spürbar. Trotz des abstrakten Themas ist die Arbeit leicht verständlich und praktisch fehlerfrei geschrieben.

Prädikat:

sehr gut

 

 

 

Kantonsschule Büelrain, Winterthur
Lehrer: Dr. Peter Lautenschlager