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Luisa Dietz, 2007 | Herrliberg, ZH

 

Die Chirurgie ist in der Medizin ein männlich dominiertes Fachgebiet. Die vorliegende Studie begründet Vorteile eines höheren Frauenanteils, untersucht Ursachen und identifiziert wirksame Gegenmassnahmen. Aufgrund von Literaturrecherchen, Interviews, FMH-Datenanalysen und einer Online-Umfrage unter Spitälern und ÄrztInnen zeigt sich, dass v. a. die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine zentrale Hürde darstellt. Zudem erschweren lange Arbeitszeiten, hierarchische Strukturen und objektive Arbeitsbedingungen den Zugang zur Chirurgie. Ein umfassendes Massnahmenbündel von 10 Punkten wäre erforderlich. Dazu gehören etablierte Massnahmen, wie z.B. gleichen Gehältern und flexiblen Arbeitszeiten sowie wenig verbreitete, aber effektive Strategien – etwa transparente Gehaltsstrukturen und Engagement Surveys und die Integration von Führungskompetenzen und Persönlichkeitstraining in die medizinische Ausbildung zur langfristigen Reduktion struktureller Barrieren. Diese Massnahmen auf der strukturellen Ebene der Spitäler hätten in einer Zeit der Umstrukturierung vieler Spitäler kaum eine Chance schnell umgesetzt zu werden. Daher wird als Innovation eine Vorwärtsstrategie in Richtung „Exzellenz als Chirurgin“ durch ein – mit dieser SJf-Arbeit beginnenden Netzwerk unter engagierten Medizinstudentinnen vorgestellt.

Fragestellung

2023 lag der Anteil der Ärztinnen in der Schweiz bei 47 %, in der Chirurgie nur bei 21. Während andere Branchen D&I-Massnahmen umsetzen, fehlen solche Strategien in Schweizer Spitälern weitgehend. Zudem sind Ursachen und effektive Massnahmen unzureichend erforscht. Deshalb wurden folgende Fragen gestellt: Wie kann man den Frauenanteil in der Chirurgie erhöhen? Was sind die Ursachen für den geringeren Frauenanteil in der Chirurgie und mit welchen Massnahmen kann man dagegenwirken? Warum ist es so wichtig den Frauenanteil zu erhöhen?

Methodik

Die Untersuchung basiert auf einer früheren Analyse zu D&I-Massnahmen in Schweizer Unternehmen und durch Literaturrecherchen, Interviews mit ÄrztInnen und eine Analyse von FMH-Daten ergänzt. Zudem wurde eine Online-Umfrage bei Spitaldirektionen und HR-Abteilungen der acht grössten Schweizer Spitäler, sowie 44 ÄrztInnen durchgeführt.

Ergebnisse

Die chirurgische Ausbildung ist besonders lang und fordernd. Hohe physische Belastung, lange Arbeitszeiten und eine hierarchische Kultur mindern die Attraktivität. Ein höherer Frauenanteil schafft Herausforderungen, bietet aber auch Vorteile für PatientInnen, Spitäler, ÄrztInnen und die Gesellschaft. Die grösste Ursache des niedrigen Frauenanteils ist die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zudem kollidiert der biologisch günstige Zeitraum für eine Schwangerschaft häufig mit den finanziell und beruflich anspruchsvollsten Phasen des Medizinstudiums sowie der intensiven Ausbildungs- und Karrierephasen. Ein weiterer Faktor sind die objektiven Arbeitsbedingungen an den Spitälern.
Besonders wirksam wären Massnahmen, wie z. B. transparente Gehaltsstrukturen, gleiche Bezahlung, flexible Arbeitszeitmodelle, doch sie sind an Spitälern noch zu wenig verbreitet. Kaum verbreitet und in ihrer Wirkung unterschätzt sind Bewusstseinsbildung, Engagement Surveys und übergreifende Massnahmen, wie z.B. D&I Strategien. Ziel dieser Arbeit war es, Empfehlungen für Spitäler zu entwickeln, um den Frauenanteil in ihren chirurgischen Abteilungen zu erhöhen und eine innovative Massnahme zu entwickeln.

Diskussion

Fragestellung und Hypothese zur Hauptursache des niedrigen Frauenanteils bestätigten sich nur teilweise. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist zwar der wichtigste Faktor, aber die strukturellen Ursachen sind vielfältig, sodass ein breites Massnahmenpaket – mit den 10 erarbeiteten Punkten – notwendig wäre. Da die Resonanz der Spitäler auf den Fragebogen sehr klein war, vermutlich auch durch die Umstrukturierungen an den Spitälern, wurde eine Vorwärtsstrategie gesucht, um den Frauenanteil in der Chirurgie zu erhöhen.

Schlussfolgerungen

Da die erarbeiteten Massnahmen auf der strukturellen Ebene der Spitäler kaum eine Chance haben schnell umgesetzt zu werden, wird als Innovation eine Vorwärtsstrategie in Richtung persönlichkeitsstärkender Führungskompetenz „Exzellenz als zukünftige Chirurgin“ vorgestellt. Mit einem Flyer „Traumberuf exzellente Chirurgin“, der auch online verbreitet wird, soll mit dieser SJf-Arbeit ein neues Netzwerk unter engagierten Medizinstudierenden eröffnet werden.

 

 

Würdigung durch die Expertin

Dr. Christina Maria Kunz

«Mehr Frauenpower in der Chirurgie» ist ein aktuelles und vielschichtiges Thema. Luisa Dietz orientierte sich an den Diversity & Inclusion (D&I) Erkenntnissen in Unternehmen, die sie in einem vorgängigen SOL-Projekt, d. h. in einem Selbst-organisierten-Lernen-Projekt, gewonnen hatte. Mit ihren neuen Ergebnissen aus Recherchen, Interviews und einer Online-Umfrage unter Spitälern und Ärztinnen formulierte sie zehn Massnahmen. Daraus skizzierte Luisa Dietz eine neue Vorwärtsstrategie in Richtung «Exzellenz als Chirurgin» durch ein Netzwerk für Medizinstudentinnen.

Prädikat:

sehr gut

 

 

 

Freies Gymnasium Zürich
Lehrer: Davide Pezzotta