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Céline Vogt, 2005 | Allschwil, BL

 

Diese Arbeit fragt nach den grössten Einschränkungen im Alltag von HIV-Betroffenen in der Schweiz. Durchgeführt werden Interviews mit einem Oral-History-Ansatz mit vier HIV-positiven Personen. Untersucht werden Erfahrungen in den vier Alltagsbereichen: 1. psychische und physische Gesundheit, 2. gesundheitliche Dienstleistungen 3. Arbeitsbereich und 4. zwischenmenschliche Beziehungen. Die Ergebnisse der Interviews zeigen, dass die grösste Einschränkung im Bereich der sexuellen und romantischen Beziehungen wahrgenommen werden. Aufgrund der HIV-Positivität scheitern Partnerschaften oder sind schwierig einzugehen. Bei den anderen Bereichen gibt es auch Einschränkungen, aber diese werden nicht so einschneidend erlebt. Bei gesundheitlichen Dienstleistungen stellt vor allem der Umgang mit HIV-positiven Patient*innen durch nichtspezialisiertes Gesundheitspersonal ein Problem dar. Einschränkungen am Arbeitsplatz sind stark situations- und kontextabhängig.

Fragestellung

Trotz medizinischer Fortschritte und rechtlicher Gleichstellung erleben HIV-positive Personen nach wie vor Einschränkungen in ihrem Alltag. Ziel dieser Arbeit ist es, durch persönliche Erfahrungsberichte einen Einblick in die Lebensrealität der Betroffenen zu gewinnen und zentrale Probleme aufzuzeigen. Die Forschungsfrage dazu lautet wie folgt: «Was ist die grösste Einschränkung im Alltag, die HIV-Betroffene in der Schweiz als Folge ihrer Krankheit erleben?» Um diese Frage beantworten zu können, werden die vier Bereiche 1. psychische und physische Gesundheit, 2. gesundheitliche Dienstleistungen 3. Arbeitsbereich und 4. zwischenmenschliche Beziehungen untersucht.

Methodik

Für die Untersuchung wurden Interviews mit vier HIV-positiven Personen geführt. Diese basieren auf dem Oral-History-Ansatz, beziehen sich aber primär auf die Gegenwart. Ausgewählt wurden Personen mit unterschiedlichen Lebensrealitäten: ein homosexueller Mann, ein älterer ehemalig drogenabhängiger Mann, eine Transfrau und eine Frau aus Kenia, wobei beide Frauen einen Migrationshintergrund haben. Die Interviews wurden transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Ergebnisse wurden mit Sekundärliteratur, Forschungsergebnissen und Statistiken des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) und der Aids-Hilfe Schweiz (AHS) verglichen, um sie in einen breiteren Kontext einordnen zu können.

Ergebnisse

Die Analyse der Interviews zeigt, dass die grössten Einschränkungen in dem Bereich der intimen Partnerschaften liegen. Drei der vier Befragten sind aus Angst vor Ablehnung nur selten intime Partnerschaften eingegangen und leben auch nicht in Beziehungen. Zwei der Befragten wurden aufgrund ihres HIV-Status verlassen, weil die Partner*innen trotz medizinischer Aufklärung nicht mit der Situation umgehen konnten. Drei der Interviewten haben sogar die Hoffnung auf Partnerschaft aufgegeben. In den anderen Bereichen werden insbesondere Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitswesen durch nicht auf HIV spezialisiertes Gesundheitspersonal erlebt. Auch am Arbeitsplatz gibt es negative Erfahrungen, die jedoch stark von der jeweiligen Situation abhängen.

Diskussion

Die ursprüngliche Fragestellung, welche die grösste Einschränkung im Alltag von Betroffenen untersuchen wollte, konnte durch die Interviews beantwortet werden. Die Ergebnisse bestätigen, dass die Befragten weiterhin mit erheblichen Einschränkungen und Stigmatisierung konfrontiert sind, obwohl die medizinische Behandlung die Lebensqualität verbessert hat. Die Resultate dieser Arbeit decken sich mehrheitlich mit aktuellen Forschungsergebnissen. Die gewählte Methodik ermöglicht einen persönlichen Einblick, jedoch wäre eine grössere Stichprobe notwendig, um die Ergebnisse zu generalisieren.

Schlussfolgerungen

Die Arbeit zeigt, dass trotz medizinischer und rechtlicher Fortschritte weiterhin Handlungsbedarf besteht, um die Lebensqualität von HIV-Betroffenen in der Schweiz zu verbessern. Sie zeigt auch, wo die Einschränkungen am stärksten erlebt werden. Weitere Forschung sollte sich auf die Entwicklung gezielter Massnahmen zur Entstigmatisierung und zur Förderung der Inklusion konzentrieren. Mögliche Lösungsansätze für die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen wären HIV-spezifische Schulung des Gesundheitspersonals und Aufklärung der Bevölkerung über die Nichtansteckbarkeit von HIV unter antiretroviraler Therapie durch die zeitgemässe Darstellung von HIV in Filmen und Büchern.

 

 

Würdigung durch die Expertin

Dr. Brigitte Ruckstuhl

Wirksame Therapien haben die Lebensqualität von HIV-Infizierten verbessert. Benachteiligungen in ihrem Alltag sind jedoch nicht verschwunden. Celine Vogt nahm dieses Thema auf und wollte herausfinden, was HIV-Infizierte als stärkste Einschränkung erleben. Sie hat vier Interviews mit einem Oral-History-Ansatz durchgeführt und die Betroffenen nach Einschränkungen in vier Lebensbereichen befragt. Vogt ist die Arbeit mit Begeisterung und grossem Engagement angegangen und hat festgestellt, dass die Einschränkungen in sexuellen und partnerschaftlichen Beziehungen am einschneidendsten erlebt werden.

Prädikat:

gut

 

 

 

Gymnasium am Münsterplatz, Basel
Lehrerin: Eleonora Spasojevic