Chemie | Biochemie | Medizin
Vanessa Brunner, 2001 | Magden, AG
Die Gemmotherapie, eine Komplementär- und Alternativmedizin, die immer mehr an Beliebtheit gewinnt, nutzt junge Knospen von Arzneipflanzen als Arzneimittel. Den Aussagen dieser Therapieform zufolge haben diese Pflanzenrohstoffe eine höhere Konzentration sekundärer Pflanzenstoffe und Wachstumshormone, die eine heilende Wirkung auf den Menschen haben sollen. Die Arbeit untersucht diese noch unbewiesene Hypothese anhand der Dünnschicht-Chromatographie der sekundären Pflanzenstoffe und erforscht, ob sich die Konzentration im Verlauf des Wachstums ändert und in welchem Stadium sie am höchsten ist. Für diese Untersuchungen wurden von jeweils vier Pflanzen (Birke, Esche, Hagebutte und Hasel) Knospen in zehn verschiedenen Wachstumsstadien gesammelt. Die Methode der Hochleistungsdünnschicht-Chromatographie (HPTLC) wurde angewendet. Die Ergebnisse der Chromatogramme zeigen, entgegen der Hypothese, bei drei von vier Pflanzenarten eine klare Zunahme der untersuchten Inhaltsstoffe während des Knospenwachstums und nicht, wie angenommen, eine Abnahme der Konzentration.
Fragestellung
Für diese Arbeit wurden drei Fragestellungen formuliert: (I) Stimmt die Behauptung der Gemmotherapie und befinden sich tatsächlich höher konzentrierte sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe in den jungen Knospen? (II) Wie stark variieren die Konzentrationen während des ganzen Wachstums bis hin zum Blatt? (III) Stimmen die Inhaltsstoffe in den gekauften Gemmo-Arzneimitteln mit den Resultaten der gesammelten Knospen überein?
Methodik
Es wurden von vier Pflanzenarten an je drei verschiedenen Standorten im Verlauf von drei Monaten Knospen gesammelt. Insgesamt wurden zehn Wachstumsstadien und das adulte Blatt für die Untersuchungen benötigt. Nach vielen Vorversuchen zur Ausarbeitung und Bestimmung einer geeigneten Methode wurden alle Pflanzenproben extrahiert und mithilfe der HPTLC im Labor untersucht. Zusätzlich zu den gesammelten Proben wurden auch Standards als Referenzsubstanzen für die Identifizierung der Inhaltsstoffe sowie die Extrakte der gekauften Gemmo-Arzneimittel für spätere Vergleiche chromatographiert.
Für die Analysen wurde das Computerprogramm visionCATS zur Steuerung der Geräte, Datenaufnahme und -auswertung verwendet. Eine anschliessende Derivatisierung machte den Anteil der Flavonoide an den vorhandenen Substanzen im Extrakt unter dem UV-Licht sichtbar. Zur Identifikation der Inhaltsstoffe ausgewählter Banden im Chromatogramm wurde ein UV-Absorptionsspektrum angefertigt. Anhand der Ergebnisse konnten dann Vergleiche zwischen den Konzentrationen der verschiedenen Wachstumsstadien durchgeführt werden.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 130 Pflanzenproben mit 3480 Knospen und Blättern untersucht. Die Knospen der Birke zeigen eine Zunahme der Stärke der Farben und der Dicke der Banden im Laufe des Wachstums. Dies wird auch mittels des Probenprofils bestätigt, bei dem die älteren Knospen einen höheren Peak erreichen. Im Chromatogramm können die stärksten, kräftigsten Banden den Blättern zugeschrieben werden. Nur einzelne Banden verhalten sich gegenteilig und nehmen im Wachstum ab. Das Gleiche kann bei den Chromatogrammen der Hasel und der Hagebutte beobachtet werden. Bei der Esche unterscheiden sich die Banden insofern, als während des Wachstums eine Abnahme der Stärke und Breite der Banden ersichtlich ist.
Diskussion
Drei der vier Pflanzenarten zeigen eine klare Zunahme der Konzentration der untersuchten sekundären Pflanzeninhaltsstoffe im Laufe ihres Wachstums. Lediglich bei der Esche kann die Hypothese aufgrund einer Abnahme der Konzentration während des Wachstums verifiziert werden. Zudem zeigen die Vergleiche zwischen den Banden der Chromatogramme der jungen Knospen eine Übereinstimmung mit den Banden der gekauften Gemmo-Arzneimittel. Dies lässt darauf schliessen, dass zu deren Produktion tatsächlich Knospen im jungen Wachstumsstadium verwendet worden sind.
Schlussfolgerungen
Die Frage, ob die Annahme der Gemmotherapie gerechtfertigt ist, junge Knospen für komplementärmedizinische Arzneien zu verwenden, kann nicht abschliessend beantwortet werden. Es kann ausgesagt werden, dass bei drei von vier untersuchten Pflanzenarten keiner der sekundären Inhaltsstoffe die höchste Konzentration im jüngsten Knospenstadium aufweist. Die Gemmotherapie stützt sich aber auch auf andere Inhaltstoffe wie Wachstumshormone oder Aminosäuren. Zu diesen beiden kann keine Aussage zur Veränderung der Konzentration gemacht werden, da diese nicht Bestandteil der Arbeit waren.
Würdigung durch die Expertin
Dr. Evelyn Wolfram
Die Forschungsarbeit widmete sich der analytischen Untersuchung von komplementärmedizinischen Präparaten der Gemmotherapie, deren nicht belegte Hypothese besagt, dass Mazerate aus Pflanzenknospen besonders hohe Gehalte an wirksamen Naturstoffen aufwiesen. Die Arbeit liefert erstmals vergleichende analytische Daten mittels HPTLC zu Flavonoiden in selbst gesammelten Pflanzenmaterialien und kommerziellen Präparaten von Birke, Esche, Hasel und Hagebutte. Die Daten sind neuartig und werfen Fragen zur Evidenz von gemmotherapeutischen Mazeraten zur Behandlung von Patienten auf. Publikationswürdig!
Prädikat:
hervorragend
Sonderpreis Simply Science
Gymnasium am Münsterplatz, Basel
Lehrerin: Dr Anna Maria Hegnauer