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Sophie Steiner, 2006 | Grossaffoltern, BE

 

Diese Maturaarbeit setzt sich zum Ziel, sexuelle Belästigung im Militär differenziert zu beleuchten, und untersucht das Thema anhand von 11 Interviews mit Soldatinnen. Im Zentrum stehen deren Erfahrungen sowie der Umgang der Armee mit dem Thema. Alle Befragten berichteten von verbaler sexueller Belästigung, eine Teilnehmerin auch von körperlicher sexueller Belästigung. Schutzmassnahmen wie getrennte Unterkünfte können solche Vorfälle zwar reduzieren, erschweren jedoch gleichzeitig die Integration der Soldatinnen in ihre Einheiten. Die Arbeit betont die Relevanz von Sensibilisierung und offener Kommunikation als zentraler Ansatzpunkte zur Prävention sexueller Belästigung im Militär.

Fragestellung

«In welchen Formen erleben Frauen heute sexuelle Belästigungen in der Armee und was tut diese dagegen?»

Methodik

Ich führte problemzentrierte Interviews mit 10 dienstleistenden Frauen sowie mit Éugenie Pollak, ehemalige Vorsteherin des Frauendienstes. Die Gespräche orientierten sich an einem Leitfaden und ermöglichten es, deren subjektiven Erfahrungen zu erfassen und vergleichend zu analysieren. Die Rekrutierung der Interviewpartnerinnen erfolgte über Instagram. Da die Befragten in der ganzen Schweiz wohnhaft waren, habe ich die Interviews telefonisch durchgeführt. Nach einer Einverständniserklärung wurden die Interviews aufgezeichnet und anschliessend transkribiert. Ich stellte allen Interviewpartnerinnen dieselben Leitfragen. Ergänzend formulierte ich individuelle Nachfragen, um Aussagen anderer Teilnehmerinnen einordnen oder vertiefen zu können. Ich wertete die Interviews mittels qualitativer Inhaltsanalyse aus.

Ergebnisse

Eine von 10 Frauen hat tätliche sexuelle Belästigung erlebt. Ein betrunkener Kamerad hat sie angefasst, nachdem sie ihm nicht auf Instagram angenommen hat. Alle konnten mir von verbaler sexueller Belästigung berichten in Formen von Sprüchen oder Witzen. Das Militär selber versucht mit Infrastruktur, Aufklärung und Strafen gegen sexuelle Belästigung vorzugehen. Das Militär hat hierarchische Strukturen, was Aufklärung und gerechte Strafen fördert. Allerdings schafft die Hierarchie auch ein Machtungleichgewicht, das sexuelle Belästigung begünstigen kann, wenn Vorgesetzte nicht richtig handeln.

Diskussion

Das Militär bietet durch seine klare Hierarchie schnelle Disziplinarmassnahmen und geregelte Zuständigkeiten. Frauen wissen meist, an wen sie sich wenden können. Allerdings schafft die Hierarchie auch ein Machtungleichgewicht, das sexuelle Belästigung begünstigen kann, wenn Vorgesetzte nicht richtig handeln.

Die getrennte Unterbringung von Frauen soll Schutz bieten, bringt aber organisatorische Probleme mit sich. Besonders in männerdominierten Einheiten empfinden viele Frauen die Infrastruktur als nachteilig. Zudem erreichen Informationen entlegene Standorte oft verspätet. Eine norwegische Studie legt nahe, dass gemischte Unterkünfte die Belästigung verringern, da Kameradschaft gestärkt wird.

Viele Frauen finden, dass die Strafen zu tief sind. Sexistische Sprüche sind weit verbreitet, und die Reaktion der Vorgesetzten wird unterschiedlich bewertet. Eine sagte, die Vorgesetzen machen nichts, andere fanden die Reaktion aber gut. Die Aufklärung über sexuelle Belästigung im Militär wird von manchen als oberflächlich empfunden, während andere sie als ausreichend betrachten. Ein einheitliches Fazit lässt sich daher nicht ziehen.
Meiner Meinung nach habe ich die richtige Methodik gewählt, da ich bewusst auf Massenbefragungen verzichtet habe und den zusätzlichen Zeitaufwand auch nicht gescheut habe. Mir war es wichtig, bei diesem intimen Thema auf die Frauen eingehen zu können. Meine Frage konnte beantwortet werden, trotzdem stellt sich die Frage, ob meine Ergebnisse auf alle Frauen zu treffen.

Schlussfolgerungen

Man kann nicht verallgemeinern, wie Frauen sexuelle Belästigung erleben, da dies etwas sehr Individuelles ist. Trotzdem konnte meine erste Frage aus der Fragestellung beantwortet werden, da man bei allen Frauen feststellen konnte, dass sie verbale sexuelle Belästigung erleben und bei einer sogar tätlichen Belästigung. Nach aussen kommuniziert die Armee klar, dass sie sexuelle Belästigung nicht duldet. Schutzmassnahmen wie separate Rückzugsorte für Frauen sollen dies unterstützen, werden von den Betroffenen jedoch ambivalent bewertet: Sie bieten zwar Schutz, können aber auch die Integration in die Einheit erschweren. Die Arbeit weist darauf hin, dass wenn Vorgesetzte ihre Verantwortung wahrnehmen, das Thema ansprechen und aktiv aufklären, kann das Risiko sexueller Belästigung verringert werden, möglicherweise sogar bis hin zur Vermeidung.

 

 

Würdigung durch die Expertin

Dr. Brigitte Hofstetter Furrer

Die Arbeit greift ein gesellschaftlich relevantes und zugleich wenig erforschtes Thema auf: sexuelle Belästigung im Militär. Sie zeichnet die Entwicklung der Rolle der Frau im Militär nach, beleuchtet den Begriff sexueller Belästigung und verortet ihn im Kontext des Militärs. Damit schafft sie eine theoretische Grundlage für die Analyse problemzentrierter Interviews. Die Arbeit macht bestehende Problemlagen sichtbar, diskutiert kritisch getroffene Massnahmen sowie den Anpassungsbedarf, zeigt eine reflektierte Auseinandersetzung und eine nachvollziehbare und gewissenhaft umgesetzte Methodik.

Prädikat:

gut

 

 

 

Gymnasium Biel-Seeland
Lehrer: Schafer Sebastian