Gestaltung | Architektur | Künste
Yara Peretti, 1999 | Bonaduz, GR
Viele Menschen denken bei der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts zuerst an den Impressionismus. Der Name Ernest Meissonier ist nur wenigen bekannt, obwohl Meissonier damals zu den erfolgreichsten Künstlern zählte. Der Grund dafür liegt in seiner akademisch orientierten Malweise, die immer mehr an Anerkennung verloren hat. Meine Arbeit verfolgt das Ziel, Meissonier in die Kunststile des 19. Jahrhunderts einzuordnen und seine Position als akademischer Künstler zu untersuchen. Dazu habe ich ihn mit der akademischen Kunst, mit dem Impressionismus und mit dem Künstler Edouard Manet verglichen. Der Vergleich hat gezeigt, dass Meissonier in den meisten Aspekten der akademischen Kunst entspricht, dazu aber einige avantgardistische Ansätze aufweist. Diese reichen allerdings nicht, um ihn als Avantgardisten zu bezeichnen. Er kann als akademischer Künstler angesehen werden, besonders im Kontext der Situation des 19. Jahrhunderts, als die akademische Kunst nicht mehr so eng gefasst wurde.
Fragestellung
Meine Untersuchung beschäftigt sich mit Ernest Meissonier, einem der erfolgreichsten französischen Künstler des 19. Jahrhunderts. Ich habe mir die Frage gestellt, ob Meissonier den akademischen Künstlern zuzurechnen ist oder ob in seinem Werk avantgardistische Tendenzen vorhanden sind.
Methodik
Zur Beantwortung meiner Fragestellung habe ich die Methode des Vergleichens angewendet. Ich habe Meissonier mit der akademischen Kunst, mit deren Gegenspieler, dem Impressionismus, und mit dem Künstler Edouard Manet, der als Vorreiter der Moderne gilt, verglichen. Um die Vergleiche zu strukturieren, habe ich Vergleichsaspekte definiert, die möglichst das ganze Arbeitsfeld eines Künstlers abdecken. Diese Aspekte umfassen Maltechnik, Komposition, Arbeitsort, Sujet, Farbe und Licht, Bezug zur Realität, Vorbereitungen und Vorbilder. Die Vergleiche habe ich durch Recherchen zu Meissonier und zu den drei Vergleichspunkten ausgearbeitet.
Ergebnisse
Mittels der Vergleiche ist sichtbar geworden, dass Meissonier hauptsächlich nach der akademischen Tradition gearbeitet hat. Seine feinen Pinselstriche, die Kompositionen, die Sujets aus der Vergangenheit, die akribischen Vorbereitungen und die dezente Farbigkeit entsprechen den Vorstellungen der Akademien. Allerdings sind auch Ansätze in Richtung Moderne erkennbar geworden. Das fehlende geglättete fini, der nicht vorhandene Bezug zur Antike und die nichtidealisierende Darstellungsweise stellen avantgardistische Ansätze dar. Aus diesen Ergebnissen hat sich die Frage entwickelt, warum Meissonier zu seiner Zeit, in der die Kunstakademien sehr einflussreich waren, zu den erfolgreichsten Malern gezählt hat, obwohl er nicht komplett akademisch gearbeitet hat. Dies habe ich auf seine Absicht zurückgeführt, den Vorlieben des Publikums zu entsprechen. So hat er schnell hohe Preise für seine Gemälde und das Lob der Kritiker erreicht. Zudem habe ich dargelegt, dass die akademischen Regeln im 19. Jahrhundert gelockert wurden. Das Talent des Malers und die Qualität der Werke haben im Gegensatz zur Einhaltung der akademischen Regeln an Bedeutung gewonnen.
Diskussion
In meiner Arbeit ist deutlich geworden, dass die Grenzen zwischen Tradition und Avantgarde sowie zwischen den Kunststilen fliessend sind. Die Einordnung Meissoniers hängt deshalb davon ab, wie eng die Merkmale der Stile gefasst werden. Meissonier hat in seiner Karriere ein umfangreiches Gesamtwerk geschaffen, das in den Vergleichsaspekten nicht immer klar einer Stilrichtung zuzuordnen ist. Das Abwägen, welche Aspekte besonders bedeutend sind, hat mich vor eine Herausforderung gestellt, bei der ich froh um die Unterstützung der Expertin Kerstin Bitar war.
Schlussfolgerungen
In meiner Arbeit habe ich gezeigt, dass Meissoniers Werk der akademischen Tradition in vielen Aspekten entsprochen hat und er deshalb den akademischen Künstlern zugeordnet werden kann. Ausgehend von Meissonier habe ich die Situation in der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts dargelegt und seine Positionierung in deren Kontext diskutiert. Diese Betrachtung der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts könnte mit der Untersuchung weiterer Künstler ausgedehnt werden. Besonders eine Aufarbeitung der Künstler, die nicht nur heute, sondern auch damals eine unbekannte Existenz fristeten, könnte den Blick auf die Epoche erweitern.
Würdigung durch die Expertin
Dr. Kerstin Bitar
Yara Perettis Wettbewerbsarbeit für „Schweizer Jugend forscht“ basiert auf ihrer Fachmaturitätsarbeit, die sie an der Bündner Kantonsschule in Chur 2019 einreichte. Meine Modifikationsvorschläge zur Überarbeitung verschiedener Textpassagen hat sie umgesetzt. Erkenntnisse, die sie durch die Lektüre der von mir empfohlenen Publikationen gewann, liess sie in neuen Texten einfliessen. Durch die Gespräche und den Gedankenaustausch in den letzten Monaten bestätigte sich mein Eindruck, dass Yara Peretti mit Akribie und Engagement einzelne Aspekte hinterfragt und mit Freude wissenschaftlich forscht.
Prädikat:
sehr gut
Evangelische Mittelschule Schiers
Lehrerin: Anna Janser