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Sophia Bühlmann, 2005 | Luzern, LU
Bei grosser, körperlicher oder emotionaler Gefährdung berichten Menschen manchmal von Erfahrungen mit transzendenten Elementen. Für solche sogenannte Nahtoderfahrungen gibt es keine abschliessend wissenschaftliche Erklärung, es bestehen aber umstrittene Erklärungsansätze. Einer besagt, dass bei Todesnähe das Hormon Dimethyltryptamin (DMT) in der Epiphyse ausgeschüttet werde und dies Ursache der Nahtoderfahrung sei. DMT ist auch Auslöser für die sogenannte Ayahuascaerfahrung, bei der während schamanischen Heilritualen Ayahuasca, ein Gemisch zweier Pflanzen aus dem Amazonasregenwald, eingenommen wird. Der Fokus der Maturaarbeit besteht darin, die Nahtod- und Ayahuascaerfahrung sowie ihren Einfluss auf die Lebenseinstellung der Erfahrenden zunächst mit Sekundärliteratur und anschliessend anhand von Gesprächen mit Erfahrenden im Rahmen einer eigenen Studie zu vergleichen.
Fragestellung
(I) Bestehen in den Erlebnisberichten von Nahtod- und Ayahuascaerfahrungen Parallelen? (II) Wird der Blick auf das Leben nach der jeweiligen Erfahrung in vergleichbarer Weise verändert?
Methodik
Da keine Studien mit einem ausführlichen Vergleich vorliegen, wurden für den theoretischen Vergleich aus Sekundärliteratur gewonnene Hintergrundinformationen verwendet. Für die Überprüfung der Gegenüberstellung führte ich semi-strukturierte Gespräche mit je sechs Personen beider Erfahrungen durch und nahm als aussenstehende Beobachterin an der Diskussionsrunde nach einem Ayahuascaritual teil, bei der die Teilnehmenden von ihrem Erlebnis erzählten. Die sinngemässen Transkriptionen der Gespräche und der Diskussionsrunde beinhalten nur die für die Arbeit relevanten Aussagen und wurden von den Studienteilnehmenden auf Korrektheit überprüft. Durch das Unterteilen der Zitate in Kategorien konnte der „Weg zur Erfahrung“, „die Erfahrung selbst“, „die längerfristigen Folgen“, „der neue Blick auf das Leben“ sowie „die Interpretationen der Erfahrung“ voreinander abgegrenzt, die Erfahrungselemente verglichen und Schlussfolgerungen gezogen werden.
Ergebnisse
Die Arbeit führte zur Erkenntnis, dass positive Nahtod- und Ayahuascaerfahrungen u.a. folgende Elemente gemeinsam haben: Bewusstsein zu Sterben, ausserkörperliche Erfahrung, grosses, weisses Licht, Tunnelerfahrung, veränderte Wahrnehmung von Raum und Zeit und Begegnung mit Verstorbenen. Diese Elemente tauchen in beiden Erfahrungen auf, werden jedoch anders erlebt. Beispielsweise wird das grosse, weisse Licht in der Nahtoderfahrung als anziehend, in der Ayahuascaerfahrung hingegen als weder anziehend noch abstossend beschrieben. Die negativen Nahtod- und Ayahuascaerfahrungen ähneln sich weitgehend und der Blick auf das Leben verändert sich nach beiden Erfahrungen in sehr vergleichbarer Weise. Als zentral erachtet wird z.B. die bedingungslose Liebe und die universelle Verbundenheit. Eindeutige Unterschiede zwischen den beiden Erfahrungen bestehen etwa darin, dass die Rückkehr aus der Nahtoderfahrung als brutal und plötzlich, der Übergang von der Ayahuascaerfahrung ins normale Körperbewusstsein dagegen als fliessend und als den schönsten Teil der Erfahrung beschrieben wird.
Diskussion
Für die Beantwortung meiner Fragestellung hat sich ein qualitatives Vorgehen geeignet, da der Fokus der Arbeit auf die Erarbeitung von Grundlagen von Unterschieden und Gemeinsamkeiten der beiden Erfahrungen gelegt wurde. Die Erfahrungselemente sollten daher von den Personen aus eigener Initiative erwähnt und nicht systematisch abgefragt werden. Die Ergebnisse dieser Gespräche könnten in einer weiteren Studie quantitativ überprüft werden.
Schlussfolgerungen
In der Arbeit konnte gezeigt werden, dass Nahtod- und Ayahuascaerfahrungen nur sehr wenige deutliche Unterschiede aufweisen. Viele Erfahrungselemente werden von beiden Personengruppen erwähnt, jedoch anders beschrieben. Ausserdem wurde festgestellt, dass die Erfahrungen den Blick auf das Leben ähnlich verändern können. In weiteren Studien könnte untersucht werden, ob DMT bei weiteren spirituellen Erfahrungen, der Geburt oder in Traumphasen ausgeschüttet wird.
Würdigung durch den Experten
Stefan Nadile
Die Verfasserin hat aus dem ihr zur Verfügung stehenden Material und im Sinne ihrer Forschungsfrage ihre selbst erhobenen Daten bei einem anspruchsvollen, wissenschaftlich heterogen erforschten Thema sorgfältig bearbeitet und konsolidiert. Die Ergebnisse werden strukturiert und übersichtlich präsentiert. Es ist ihr gelungen, ein grosses Spektrum an Themen auf die Forschungsfrage pointiert zu bearbeiten und die für die Arbeit relevanten Aussagen aus dem Datenkorpus zu extrahieren.
Prädikat:
sehr gut
Kantonsschule Alpenquai Luzern
Lehrer: Dr. Tommi Mendel