Physik  |  Technik

 

Anja Zeier, 2005 | Beckenried, NW

 

Werden Eigenschwingungen von Gebäuden zu gross, bemerkt der Mensch diese, und Bauwerke können sogar zusammenbrechen. Deshalb wurde untersucht, wie sich Eigenschwingungen berechnen lassen und inwiefern diese, in der Realität gemessen, von Berechnungen abweichen. Mit einem Bewegungsmessgerät von SYSCOM fanden Datenerhebungen bei Stahlträgern in einer Werkstatt sowie bei den Parkhäusern P1, P3 und P6 des Flughafens Zürich statt. Die Abweichungen von den berechneten und gemessenen Werten bei zwei Stahlträgern waren gering. Bei einfachen Systemen stimmen somit Berechnungen und Messungen quasi überein. Hingegen resultierten bei den Parkhäusern mit Skelettbaukonstruktion bedeutende Unterschiede zwischen dem Berechnungsmodell und den durchgeführten Messungen bei horizontalen Bewegungen. Die Ursachen der Differenz liegen bei den nichttragenden Elementen des Gebäudes, den Autos und den Ungenauigkeiten bei den realisierten Berechnungen sowie Baudurchführungen. Die gemessenen Resultate weichen in horizontaler Richtung um den Faktor zwei von den vorangehenden Berechnungen ab. Daraus leitet sich für Ingenieurbüros ab, ihren Schwingungskoeffizienten für solche Berechnungen zu überprüfen respektive allenfalls anzupassen.

Fragestellung

(I) Wie leitet man die Formel für die Frequenz der Eigenschwingung eines einfach gelenkig gelagerten Balkens ohne Berücksichtigung der Dämpfung her? Die mathematischen Grundlagen der Berechnungen werden zusammengetragen. (II) Wie kann die mathematisch hergeleitete Formel im Labor bewiesen werden? Von den Grundlagen wird zur einfachen Praxis übergegangen. (III) Worin liegen die Abweichungen zwischen Realität und Berechnungsmodell bei Gebäudeschwingungen? Die Schwingungen eines Bauwerkes werden betrachtet.

Methodik

Die Primäruntersuchungen waren von Messungen geprägt. Die Partnerschaft der Arbeit mit der Firma Dr. Deuring und Oehninger AG erlaubte die Anwendung des Messgerätes MR3000C von SYSCOM. Dieses Schwingungsmessgerät mit einem Bewegungsaufnehmer und dem dazugehörigen Online-Programm rechnet die gemessenen Schwingungen direkt in Frequenzen um. Bei den Berechnungen der Stahlträger-Experimente wurde eine bestehende Formel verwendet, und bei den Gebäuden konnten die bereits durchgeführten Berechnungen der Firma sowie ein selbst erstelltes Teilmodell in SOFiSTiK einfliessen. Die gemessenen Eigenfrequenzen bei den Experimenten und den Parkhäusern wurden mit den entsprechenden Berechnungen verglichen. Schliesslich wurden Aussagen eines Interviews mit dem Schwingungsexperten Vlado Gicev aus Nordmazedonien sowie einschlägige Sekundärliteratur eingearbeitet.

Ergebnisse

Das Werkstatt-Experiment beim RRW-Stahlträger ergab eine gemessene Eigenfrequenz von 9.01 Hz. Der dazugehörige berechnete Durchschnitt liegt bei 9.22 Hz, was zu einer Abweichung von 2.4 Prozent führt. Bei den Parkhaus-Messungen der Schwingungen resultierten horizontal auf der x- und y-Achse Werte, die im Vergleich zu den Berechnungen um den Faktor zwei grösser waren, was als signifikant gilt. Auf der z-Achse, vertikal, beträgt die Differenz zwischen berechnetem Wert von 8.86 Hz und gemessenem von 7.81 Hz nur 13.4 Prozent.

Diskussion

Die geringe Abweichung der Werkstatt-Messung von 2.4 Prozent erklärt sich durch Übereinstimmung der Randbedingungen und Materialeigenschaften. In einfachen Systemen stimmen berechnete Eigenfrequenzen mit den in der Realität gemessenen grundsätzlich überein. Bei den mehrstöckigen Flughafen-Parkhäusern weichen die berechneten Eigenschwingungen in den horizontalen Dimensionen erheblich von den effektiv gemessenen ab, weil zum Beispiel die Werte der mitschwingenden Masse bei den Berechnungen nur angenommen wurden und weitere Faktoren wie Autos, Fluglärm oder Wetter eine Rolle spielen können. Hingegen stimmen die Berechnungen der Deckenschwingungen in der vertikalen Richtung mit den Messwerten überein.

Schlussfolgerungen

Mit bestehenden Formeln lassen sich Eigenschwingungen in einfachen Systemen genau berechnen. Weil aber in komplexen Systemen wie mehrstöckigen Parkhäusern die Berechnungen innerhalb der Ebene um den Faktor zwei kleiner sein können als die realen Eigenfrequenzen, gilt es, die bisher angewandten Koeffizienten zu überprüfen. Die Firma Dr. Deuring und Oehninger AG wird ihren Schwingungskoeffizienten anpassen. Um diese Folgerung mit zusätzlicher Substanz zu untermauern, müssen weitere Skelettbauten oder komplexere Gebäude untersucht werden.

 

 

Würdigung durch den Experten

Dr. Daniel Gsell

Anja Zeier hat rasch ein umfangreiches Grundlagenwissen in der Baudynamik erworben und es praktisch angewendet. Sie nutzt einfache mechanische Systeme um theoretische Modelle durch eigene Messungen zu bestätigen. Ihr erworbenes Verständnis ermöglicht es, Diskrepanzen zwischen komplexen Simulationsmodellen und Schwingungsmessungen an ganzen Tragwerken aufzudecken und so die Grenzen der Modelle zu identifizieren. Diese Arbeit trägt wesentlich zum Verständnis der Tragwerksdynamik im Bauwesen bei, was in Zukunft schlankere und ressourcenoptimierte Tragwerke ohne störende Schwingungen ermöglicht.

Prädikat:

sehr gut

Sonderpreis «Grundlagen der Metrologie» gestiftet vom Eidgenössischen Institut für Metrologie METAS

 

 

 

Kollegium St. Fidelis, Stans
Lehrer: Urs Zellweger