Gestaltung | Architektur | Künste
Jennifer Diethelm, 2002 | Pfäffikon SZ, SZ
Im Rahmen dieses Werkes setze ich mich mit dem vielfältigen Kontrollverlust auf psychischer Ebene auseinander. Unverständnis und Falschinformationen über psychische Zustände schaffen eine belastende Kluft zwischen Betroffenen und ihrem sozialen Umfeld.
Diese Thematik wandle ich in ein filmisches Werk um, das dem Betrachter die Möglichkeit bietet, einen psychischen Kontrollverlust hautnah mitzuerleben. Dafür experimentiere ich mit starkem, emotionsbasiertem Found Footage, stimmungsvoller Musik und verschiedenen Kameraperspektiven. In meinem Kurzfilm «FEEL.» wird der Kontrast zwischen dem subjektiven und objektiven Erleben von mentalen Zuständen stark beleuchtet und setzt die gegenseitige Wahrnehmung in einen ganz neuen Kontext.
Dabei verzichte ich bewusst auf die Darstellung von vollständigen Krankheitsbildern oder Charakteren. Mir ist es wichtig, Raum für Eigeninterpretation und Resonanz zu schaffen. Dies wirkt einer destruktiven Verallgemeinerung der Thematik entgegen. Jedoch ist es wichtig anzuerkennen, dass auch dieser Film durch meine Sichtweise geprägt ist.
Mit «FEEL.» überwinde ich konventionelle Darstellungsweisen und Vorurteile und stelle die emotionalen Empfindungen des Individuums in den Vordergrund. So hoffe ich, mehr Toleranz zu schaffen und das Unsichtbare sichtbar zu machen.
Fragestellung
In dieser Arbeit habe ich mich damit auseinandergesetzt, wie ich einen psychischen Kontrollverlust filmisch darstellen kann. Mit meinem Kurzfilm «FEEL.» möchte ich das Unsichtbare sichtbar machen und somit mehr Toleranz und Verständnis erzeugen.
Methodik
Zu Beginn wollte ich die innere Gefühlswelt rein abstrakt darstellen, wurde dann aber vom Film «Memento» inspiriert. Dieser arbeitet mit zwei verschiedenen Perspektiven, wobei eine aus den Erinnerungen des Protagonisten besteht. So entwickelte ich die Idee eines Kontrasts anhand einer weiteren Perspektive, der auch als Brücke zur Aussenwelt agieren sollte. Mit diesem Konzept der subjektiven Innen- und der objektiven Aussenperspektive habe ich dann die Geschichte entworfen, die durch ihre Alltäglichkeit die Omnipräsenz der Thematik unterstreicht. Beim Dreh nutzen wir ein Storyboard, jedoch bat ich die Schauspieler, die Szene nach ihrem Gefühl zu improvisieren, was sie authentischer wirken liess. Für die Aussenperspektive wählte ich eine Fujifilm-Kamera und das Smartphone, um einen dokumentarischen Look zu erhalten. Für die Innenperspektive nutzten wir eine GoPro mit Headstrap, die durch ihre POV-Perspektive einen intimen Blick liefert. In der Postproduktion folgte nach dem klassischen Schnitt der experimentelle Schnitt. Dafür habe ich mir laufend die Frage gestellt, wie ich den psychischen Zustand einem Aussenstehenden wortlos erklären würde. Passend dazu habe ich lizenzfreie Videos gesucht und diese mit diversen Überlagerungseffekten integriert. Zudem habe ich auch mit Musik und Soundeffekten von Artlist.io experimentiert, um je nach Perspektive eine andere Stimmung zu erzeugen. Ich arbeitete intuitiv und liess die Szenen immer wieder auf mich wirken, bis sie die gewünschte emotionale Wirkung erzeugten.
Ergebnisse
Durch das Konzept beider Perspektiven konnte ich ein interaktives Gefühlserlebnis schaffen, das den Betrachter direkt miteinbindet. Mit seiner auditiven und visuellen Sprache schafft es «FEEL.», den schwer greifbaren psychischen Kontrollverlust zu visualisieren. Der Kurzfilm appelliert stark an die Eigeninterpretation des Betrachters und bietet somit einen wertfreien Raum zum Nachdenken, Hinterfragen und Fühlen.
Diskussion
Durch die abstrakte POV-Innenperspektive brachte ich das emotionale Empfinden eines Kontrollverlusts auf die Leinwand, während die Aussenperspektive einen spannenden Kontrast erzeugt und den Film zugänglicher macht. Mir gefällt, dass ich keinen erklärenden Text verwendet habe, da das Werk so von Interpretation des Betrachters lebt und dadurch jeden mit seinen eigenen Glaubenssätzen konfrontiert. Bei einem nächsten Mal würde ich die Perspektiven mehr vermischen, um den Kontrast zu erhöhen und mir mehr Zeit für die Kameraeinstellungen nehmen, um unscharfe oder wacklige Shots zu vermeiden.
Schlussfolgerungen
Durch mein Projekt bin ich auf eine ganz neue Art des Storytellings gestossen, das vielseitig anwendbar ist und zur Sensibilisierung genutzt werden kann. Mir wurde bewusst, wie wichtig es ist, etwas zu kreieren, das durch die reine Macht von Gefühlen spricht, in einer Welt, die alles zu intellektualisieren versucht. Ich musste anerkennen, dass eine vollständige Darstellung der Thematik wie auch die komplette Vermeidung einer Stigmatisierung unmöglich ist, da auch dieser Film nur meine Sicht aufzeigt.
Würdigung durch die Expertin
Katja Stirnemann
Das filmische Projekt von Jennifer Diethelm setzt sich tiefgründig mit psychischem Kontrollverlust auseinander und zeigt eine bemerkenswerte künstlerische Herangehensweise an die Darstellung innerer Gefühlswelten. Mit Techniken wie der POV-Kamera, Found Footage und stimmungsvollem Sounddesign visualisiert sie die subjektive Erfahrung des Kontrollverlusts. Der Verzicht auf feste Krankheitsbilder fordert die Zuschauer dazu auf, ihre Wahrnehmungen und Stigmatisierungen zu hinterfragen. Das Werk leistet einen wichtigen Beitrag zu einer empathischen Auseinandersetzung mit psychischen Erkrankungen.
Prädikat:
sehr gut
Berufsmaturitätsschule Zürich
Lehrerin: Eva Gadient