Chemie | Biochemie | Medizin
Markus Rickenbacher, 2003 | Magden, AG
In dieser Arbeit wird die Herstellung von Ethanol aus Altkleidern untersucht. Dafür werden textile Gewebe dem Verfahren der Simultanen Saccharifikation und Fermentation (SSF) ausgesetzt. Die Cellulose-Moleküle des natürlichen Textilgewebes werden dabei durch Enzymatische Hydrolyse (EH) in Glukose-Moleküle gespalten, welche anschliessend durch Fermentation zu Ethanol vergoren werden. Hiermit wird die Ethanol-Ausbeute von Cellulose basierten Altkleidern ermittelt. Zudem wird in dieser Arbeit eine Potentialanalyse der nutzbaren textilen Biomasse in der Schweiz durchgeführt. So können die Resultate der Fermentation in einen grösseren Rahmen gesetzt werden, wodurch das Potential der Ethanol-Produktion aus Altkleidern auf einer nationalen Ebene abgeschätzt werden kann.
Fragestellung
Anhand folgender Forschungsfragen wird die Herstellung von Ethanol aus Altkleidern untersucht. (I) Wie gross ist das nutzbare Biomassepotential der textilen Biomasse in der Schweiz? (II) Wie viel der Cellulose des Textilgewebes kann durch das Verfahren der SSF in Ethanol umgewandelt werden? (III) Was bedeuten die Resultate der Fermentation von textiler Cellulose für das nutzbare Biomassepotential von Textilien?
Methodik
Das nutzbare Biomassepotential von Altkleidern auf nationaler Ebene wird durch Datenakquisition ermittelt. Für die Experimente wird eine Textilprobe bestehend aus 100 % Baumwolle sowie eine zweite Probe bestehend aus 55 % Baumwolle und 45 % Polyester gewählt. Beide Textilproben werden in einer Mühle gemahlen, anschliessend mit Enzym angereichert und dem Verfahren der EH ausgesetzt. Für das zweite Verfahren der SSF werden dieselben Versuchsreihen zusätzlich mit Hefe inokuliert. Beide Prozesse werden nach 168 h gestoppt. Die Produktkonzentrationen an Glukose respektiv Ethanol werden mittels High Performance Liquid Chromatography (HPLC) gemessen.
Ergebnisse
Das theoretische Biomassepotential von Textilien in der Schweiz beträgt etwa 300’000 t Textilien, was die Menge an Textilien darstellt, welche pro Jahr in die Schweiz importiert wird. Davon werden rund 105‘000 t Textilien pro Jahr durch Verbrennung entsorgt. Dieser Anteil kann für die Ethanol-Produktion aus Altkleidern verwendet werden. Durch EH wurde von der Cellulose der untersuchten Textilgewebe maximal 60.40 % in Glukose umgewandelt. Dieser Wert wurde bei der Versuchsreihe des gefärbten Fasergemisches erzielt. Durch SSF wurde von der Cellulose der untersuchten Textilgewebe maximal 51.96 % in Ethanol umgewandelt, was einer Produktkonzentration an Ethanol von 2.94 g/L entspricht. Dieser Wert wurde bei der Versuchsreihe der reinen ungefärbten Baumwolle erzielt. Mit den Resultaten der SSF lässt sich die Menge an Energie berechnen, welche mit dem Verfahren der Ethanol-Produktion aus Altkleidern in der Schweiz jährlich bereitgestellt werden kann. Diese beträgt 0.7 PJ, was lediglich 0.09 % des gesamten Endenergieverbrauches der Schweiz im Jahr 2021 (795 PJ) entspricht.
Diskussion
Die Resultate der EH zeigen, dass der Anteil an Polyester sowie auch der Farbstoff des Fasergemisches die EH nicht inhibiert. Bei der SSF hingegen wird ein Inhibitionseffekt des Polyesters oder des Farbstoffes beobachtet. Die Versuchsreihe des gefärbten Fasergemisches erzielt 18.8 % weniger Ethanol-Ertrag als die Versuchsreihe der reinen ungefärbten Baumwolle. Dabei kann keine Aussage darüber gemacht werden, ob der inhibierende Effekt vom Polyester oder vom Farbstoff stammt. Um dies abschliessend zu klären, müssen die Effekte von Polyester und Farbstoff separat untersucht werden.
Schlussfolgerungen
Meine Arbeit zeigt, dass das Verfahren der Ethanol-Produktion aus Altkleidern funktioniert. Ethanol kann aus Textilabfall hergestellt werden. Jedoch war die maximal erzielte Produktkonzentration an Ethanol von 2.94 g/L zu gering, um den Prozess als ökonomisch sinnvoll zu betrachten. Um die Produktausbeute zu erhöhen, kann der Cellulose-Gehalt der Versuchsreihen erhöht werden, indem mehr Biomasse, also Textilprobe, pro Versuchsreihen verwendet wird. Auch können die Biomassen zusätzlich vorbehandelt werden. Auf Grund des niedrigen Potentials soll auf diese Weise gewonnenes Ethanol spezifisch in den Bereichen angewendet werden, wo wirklich nur Ethanol verwendet oder wo die Energie nicht anders bereitgestellt werden kann. Zum Beispiel kann das Ethanol als klimaneutraler Benzin-Ersatz in bestimmten Bereichen des Transportsektors, wie zum Beispiel im Personenverkehr eingesetzt werden. Ein weiteres Anwendungsgebiet für Ethanol umfasst die Verwendung als Lösungsmittel in der Industrie.
Würdigung durch den Experten
Urs Baier
Auf die Idee, aus alten Baumwollkleidern einen Biotreibstoff zu produzieren, muss man erst mal kommen. Markus Rickenbacher nimmt diese Idee auf und zeigt mit einem ganzheitlichen Ansatz ihre Machbarkeit. Mit einer Potenzialanalyse deckt er die in der Schweiz verfügbaren Mengen auf. Herr Rickenbacher kombiniert chemische Analysen von Altkleidern mit enzymatischen und mikrobiologischen Schritten zur Umwandlung. Er produziert im Labor aus Altkleidern Bioethanol, charakterisiert den mehrstufigen Herstellungsprozess und erarbeitet Optimierungsansätze. Die Arbeit entspricht klar Fachhochschulniveau.
Prädikat:
hervorragend
Sonderpreis «Genius Olympiad – Science» gestiftet von der U.S. Embassy Bern
Gymnasium Kirschgarten, Basel
Lehrerin: Nicole Bort