Physik | Technik

Noa Sendlhofer, 2002 | St. Moritz, GR

 

Ist es möglich, als Mittelschüler einen Roboter-Arm mit sechs Achsen zu entwickeln und zu bauen, und zwar nur mit Wissen aus dem Internet? Diese Arbeit behandelt meine Entwicklung eines Roboter-Arms, der nicht nur «low cost» ist, sondern auch viele technische Eigenschaften vergleichbarer kommerzieller Produkte aufweist. Im Verlaufe dieses Projektes erarbeitete ich mir ein breites Spektrum an Wissen. Es galt, Probleme aus den Gebieten der Mechanik, Elektrotechnik, Elektronik sowie Informatik, Mathematik und Physik zu lösen. Ein solches Problem war beispielsweise die Entwicklung eines leichten und gleichzeitig sehr leistungsstarken Antriebes, ein weiteres der Einsatz einer Closed-Loop-Regelung, die es ermöglicht, hochpräzise Bewegungen auszuführen. Über eine Zeit von zwei Monaten erarbeitete ich ein vollständiges Konzept, das ich anschliessend in die Tat umsetzen konnte. Mein fertiger Roboter hat eine Spannweite von einem Meter und kann mehr als zwei Kilogramm Gewicht manipulieren. Ich konnte den Roboter erfolgreich in das Robotik Softwareframework ROS implementieren. Die Gesamtkosten des Projektes betrugen nur 4300 Franken.

Fragestellung

Ist es möglich, einen Sechs-Achsen-Roboterarm mit Industriekenndaten in Bezug auf Bewegungsraum, Bewegungsgeschwindigkeit und Manipulationsgewicht, der überdies vollständig in das Softwareframework ROS integriert ist, zu einem Preis von weniger als 5000 Franken und nur mit den Kenntnissen eines Maturanden zu entwickeln?

Methodik

Um dieses komplexe Projekt zu vereinfachen, begann ich die Arbeit damit, einzelne Teilschritte zu definieren. Schritt für Schritt entwickelte ich konkrete Pläne und Ideen. Unter anderem waren viele Vorabklärungen und Tests notwendig, um mich für Bauteile entscheiden zu können. Nachdem ich ein fertiges Design in den Händen hielt, begann der definitive Bau des Roboters. Gleichzeitig tastete ich mich auch an das Entwickeln der Software heran. Ich musste diverse Male von Neuem beginnen und aufwändige Vorarbeiten verwerfen, wenn sie sich als nicht funktionstüchtig herausstellten. Ein weiterer grosser Teil dieser Arbeit floss in die Entwicklung einer eigenen Stereokamera. Mithilfe der Computer Vision Softwarebibliothek OpenCV und zwei professionellen Industriekameras konnte ich eine erfolgreiche Stereokalibration durchführen.

Ergebnisse

Mein Roboter hat sechs voll funktionsfähige Achsen, einen Bewegungsraum von einem Meter in allen Achsen und kann ein Manipulationsgewicht von mehr als zwei Kilogramm tragen. Die Genauigkeit des Roboters wurde mit ausführlichen Messreihen unter verschiedenen Bedingungen überprüft. So wurde die Genauigkeit des Roboters im Weltkoordinatensystem sowie die Genauigkeit der ausgeführten Trajektorien gemessen. Die maximale Abweichung vom Zielpunkt bei maximaler Nutzlast beträgt 1,2 Zentimeter. Die Genauigkeit der ausgeführten Trajektorie ist bei jeder Achse zwar verschieden, übersteigt jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Ungenauigkeit von 5,6 Grad. Die primären Einflussgrössen auf die Ergebnisse waren die Geschwindigkeiten und die Nutzlasten. Meine Stereokamera kann die Position von Flaschen mit einer maximalen Abweichung von 15 Millimetern genau ermitteln.

Diskussion

Es ist mir gelungen, dieses komplexe Projekt für mich zufriedenstellend umzusetzen. Ich konnte den Roboter erfolgreich in das Softwareframework ROS integrieren. Das Manipulationsgewicht sowie der Bewegungsraum entsprechen vergleichbaren Robotern auf dem Markt. Von den maximal erwarteten Kosten von 5000 Franken hat mich das ganze Projekt nur ungefähr 4300 Franken gekostet. Aus meinen ausgeführten Messreihen konnte ich folgende Erkenntnisse ziehen: Der Roboter hat aufgrund der benutzten Kunststoffteile eine gewisse Elastizität, die zu unvermeidbaren Ungenauigkeiten bei einem höheren Manipulationsgewicht führt. Diese Messwerte liegen – wie erwartet – um einiges höher als bei vergleichbaren Modellen auf dem Markt. Trotzdem kann mein Roboter realitätsnahe Aufgaben zuverlässig erfüllen.

Schlussfolgerungen

Stolz und glücklich darf ich nun meinen funktionierenden, selbst konstruierten Roboter präsentieren. Ich schaffte es, mir dieses breite Spektrum an Wissen anzueignen und erfolgreich anzuwenden. Mein Roboter übertrifft meine Erwartungen bei Weitem. Sehr spannend war auch der letzte Abschnitt meiner Arbeit, wo ich noch ein ganz neues Feld der Wissenschaft kennenlernen durfte: die Entwicklung meiner eigenen Stereokamera, die nicht Teil meines anfänglichen Zieles war. Dieses Nebenprojekt ermöglichte mir jedoch eine praktische Anwendung des Roboters und erlaubt mir nun auch eine spannende Präsentation meines Projektes.

 

 

Würdigung durch den Experten

Prof. Heinz Domeisen

Noa Sendlhofer wollte wissen, was hinter der Entwicklung eines Roboterarmes steckt und was dieser leisten kann. Er scheute sich nicht, sich in Mechanik, Elektronik und Programmierung einzuarbeiten, Komponenten zu evaluieren, herzustellen und zu einem funktionstüchtigen mechatronischen System zusammenzubauen. Für die Objektlokalisierung entwickelte er eine Stereokameralösung und nützte sie auch gerade um die Genauigkeit des Roboters zu untersuchen. Das Resultat des grossen Aufwandes ist ein funktionstüchtiger Roboterarm und sehr viele praktische Erfahrungen.

Prädikat:

hervorragend

Sonderpreis Gebauer Stiftung – Regeneron International Science and Engineering Fair (ISEF)

 

 

 

Academia Engiadina, Samedan
Lehrer: Georg Steinwender