Chemie  |  Biochemie  |  Medizin

 

Naomi Nevian, 2006 | Bern, BE

 

Diese randomisierte dreiwöchige Cross-over-Studie untersucht den Einfluss von Ambient- und Techno-Musik auf den Schlaf von 24 jugendlichen Testpersonen im Alter von 16 bis 19 Jahren. Schlafqualität und Schlafparameter wurden mit Hilfe von Schlaftagebüchern und Smartwatches erfasst. Zur Beurteilung der physiologischen Wirkung der Musikstile auf die Herzfrequenz im Wachzustand wurde ein Elektrokardiogramm (EKG) eingesetzt. Um die Schlafparameter statistisch auszuwerten, wurde ein lineares gemischtes Modell (LMM) benutzt. Obwohl kein Einfluss der Musikintervention auf den Leichtschlaf und die Wachphasen beobachtet wurde, ergab sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen Techno-Musik und dem Tiefschlaf: Das Hören von Techno-Beats war mit einer Verlängerung des Tiefschlafs assoziiert, wobei der Effekt bei männlichen Probanden stärker ausgeprägt war als bei weiblichen. Zudem zeigten weibliche Teenager signifikant mehr REM-Schlaf als männliche; der geschlechtsspezifische Verlauf des REM-Schlafs blieb von den Musikinterventionen jedoch unbeeinflusst. Der Rhythmus der Musik scheint den Tiefschlaf zu verändern, was durch die Beobachtung unterstützt wird, dass Techno-Musik die Herzfrequenzvariabilität (HRV) steigerte, während Ambient-Musik keinen Effekt hervorrief. Ein schlaffördernder Effekt von Ambient-Musik zeigte sich nicht.

Fragestellung

Im Zentrum der Forschungsarbeit steht die Frage, ob entspannende oder energetisierende Musik vor dem Schlafengehen Einfluss auf den Schlaf von Jugendlichen hat.

Methodik

Eingangs wurden die Schlafgewohnheiten der 24 Probanden mit dem Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI) erfasst. Im Verlauf der Studie wurden in 3×5-Tages-Intervallen die Schlafmuster mit und ohne 15-minütige Musikintervention vor dem Schlafengehen mittels Fitbit Fitnessuhr und Schlaftagebuch dokumentiert. Als Nachtmusik wurde entspannende Ambient-Musik und rhythmusbetonte Techno-Musik eingesetzt. Separat wurden EKG-Daten zur Wirkung der Musik im Wachzustand erhoben. Die Hypnogramme wurden manuell ausgemessen und die Daten mit Excel, GraphPad Prism und STATA (LMM) statistisch ausgewertet.

Ergebnisse

Die Kombination von Aktigraphiemessdaten und Fragebogendaten bietet wertvolle Einblicke in das Schlafverhalten von Jugendlichen. Die Gruppe der Teilnehmenden erwies sich anhand der niedrigen PSQI-Werte (Mittel=3.5) als stabile Kohorte ohne Schlafstörungen. Die getesteten Musikstile beeinflussten die Schlafqualität der Probanden insgesamt nicht erheblich. In der Auswertung zeigte sich, dass Techno-Musik den Tiefschlaf signifikant um 12.6±6.7% verlängert. Dieser Effekt war bei männlichen Probanden stärker ausgeprägt (m:19%/w:5%). Das EKG zeigte eine signifikante Steigerung der HRV bei Techno-Musik (18.5±7%). Die Herzfrequenz blieb bei beiden Musikinterventionen unverändert. Die gesteigerte HRV korrelierte mit dem Einfluss von Techno-Musik auf die Länge des Tiefschlafs der einzelnen Probanden. Subjektiv wurde Techno-Musik für die Schlafqualität als negativ empfunden. Die Musikinterventionen blieben ohne Effekt auf die Einschlaflatenz, die Wachphasen oder den Leichtschlaf. Die geschlechtsspezifische Differenzierung der Daten ergab, dass Mädchen unter allen Bedingungen einen längeren relativen REM-Schlaf hatten als Jungen. (m:17.7±1%/w:20.5±0.8%)

Diskussion

Die Methoden zur Datenerhebung waren angemessen und lieferten belastbare Daten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Musik vor allem den Tiefschlaf beeinflusst, wobei der Effekt bei rhythmischer Musik wie Techno stärker ausgeprägt ist, insbesondere bei Jungen. Ein positiver Einfluss von Technobeats auf den Tiefschlaf ist ein interessanter Befund. Der beobachtete Einfluss auf die HRV unterstützt die Annahme, dass der Rhythmus der Musik, der mit 135 bpm der Deltawellenfrequenz beim Tiefschlaf entspricht, eine physiologische Wirkung auf den Schlaf hat. Tiefschlaf ist wichtig bei der Konsolidierung von Gedächtnisinhalten und so könnte Musik das Lernen positiv beeinflussen.

Schlussfolgerungen

Die verwendeten Musikinterventionen mit Ambient- und Techno-Musik zeigten keine signifikant schlafstörende Wirkung bei Jugendlichen ohne Schlafauffälligkeiten. Interessanterweise scheint rhythmische Musik wie Techno den Tiefschlaf zu modulieren, wobei die Effekte geschlechtsspezifisch variieren – ein scheinbar kontraintuitives Ergebnis, das weitergehende Studien erfordert. In diesem Zusammenhang könnte eine zukünftige Studie mit Jugendlichen, die an Schlafstörungen leiden, weitere wichtige Erkenntnisse liefern und Empfehlungen für musikbasierte Einschlafhilfen ermöglichen.

 

 

Würdigung durch den Experten

Dr. Marco Di Donato

Die methodische Stärke der Arbeit von Naomi Nevian liegt in der Kombination von subjektiven Schlafbeurteilungen mit objektiven physiologischen Parametern. Zudem stärken ein kontrolliertes Cross-Over-Design sowie der Einsatz adäquater statistischer Verfahren die Validität der Befunde.
Trotz der explorativen Natur der Studie und der Entfernung von Ausreissern – was zur Vorsicht bei der Interpretation mahnt – zeigen sich interessante Zusammenhänge zwischen Musik mit hohem Tempo, erhöhter HRV und verlängertem Tiefschlaf, die als Grundlage für künftige vertiefende Studien dienen könnten.

Prädikat:

gut

 

 

 

Gymnasium Kirchenfeld, Bern
Lehrerin: Ursina Gurzeler