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Sebastian Ludwig, 2005 | Seewis-Dorf, GR

 

Die Entwicklung der Mathematik verlief äusserst vielfältig und wurde von vielen Völkern und Kulturen beeinflusst. Die Maya und die alten Ägypter waren zwei geographisch und zeitlich getrennte Völker, die beide ein herausragendes mathematisches Wissen besassen. Dennoch wiesen die auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnittenen mathematischen Methoden und Fähigkeiten fundamentale Unterschiede auf. Das Ziel dieser Arbeit war es, im historischen Kontext der beiden Kulturen die Gründe für besagte Unterschiede, aber auch für Gemeinsamkeiten bezüglich des mathematischen Gedankenguts zu finden. Die Schwerpunkte dieses geschichtswissenschaftlichen Vergleichs lagen dabei auf dem Zahlensystem, der Zahlschrift, der Geometrie und den Masseinheiten sowie den Rechentechniken und Anwendungen der Maya und der Ägypter.

Fragestellung

Um die oben umschriebene Fragestellung zu präzisieren und konkrete Forschungen durchführen zu können, wurden detaillierte Untersuchungsfragen gestellt. Dabei wurden die mathematischen Kenntnisse der Maya und der alten Ägypter zu ihrer jeweils höchsten kulturellen Entfaltung verglichen (I). Weitere Untersuchungen legten den Fokus auf Einflüsse geografisch-biologischer Faktoren (II), soziokultureller Faktoren, wie der Wertvorstellungen oder des sozialen Zusammenlebens (III), und politisch-wirtschaftlicher Faktoren (IV) auf die jeweilige Entwicklung der Mathematik. Zudem wurde untersucht, inwiefern die Mathematik der Maya und der alten Ägypter durch den Kontakt mit anderen Zivilisationen beeinflusst wurde (V).

Methodik

Mit dem Ziel, Gründe für Unterschiede und Ähnlichkeiten in den Ausprägungen der Mathematik zu finden, wurden nach dem Studium von Fachliteratur und wissenschaftlichen Arbeiten verschiedener Autor:innen über die (Mathematik-)Geschichte der beiden Völker relevante Informationen und Aussagen herausgefiltert, kontextualisiert und zusammenfassend wiedergegeben. Dazu wurden die wesentlichen Merkmale der Kulturen einander in passenden Kategorien gegenübergestellt und genutzt, um kausale Beziehungen zu den verschiedenen Ausprägungen der Mathematik zu finden.

Ergebnisse

Während sich Symbole grösserer Zahlen zwar unterscheiden, lässt sich die ähnliche Darstellung kleinerer Zahlen auf den gemeinsamen Ursprung des Zählens mit Steinen und Stöcken und deren symbolischen Abbildungen zurückführen. Auch wenn die Zahlsysteme unterschiedliche Basen aufweisen, 10 bei den Ägyptern und 20 bei den Maya, lassen sich beide auf die Anatomie des menschlichen Körpers, nämlich 10 Finger beziehungsweise 10 Finger plus 10 Zehen zurückführen. Vor allem die Mathematik der Maya und ihre Methoden bezüglich der Zeitrechnung wurden von geografisch-biologischen Faktoren beeinflusst. Auch die Religion prägte die Entwicklung der Maya-Mathematik, was am Beispiel der Götterköpfe als Zahldarstellung ersichtlich ist. Vermutlich wurde die ägyptische Mathematik hingegen stärker durch die Architektur und die Organisation von Bauprojekten beeinflusst. Auch die Auswirkungen politisch-wirtschaftlicher Faktoren wie staatlicher und militärischer Bürokratie wurden vor allem bezüglich der Mathematik des alten Ägyptens bestätigt. Zudem zeigte sich unter anderem anhand der verwendeten Zahlschrift, dass vor allem die Mathematik der Maya von Einflüssen durch Nachbarkulturen profitierte.

Diskussion

Trotz einigen kleinen, aber notwendigen Anpassungen erwies sich die gewählte Methode grundsätzlich als geeignet. Die gewonnen Erkenntnisse verdeutlichen die mögliche Vielfalt mathematischer Entwicklungen und zeigen, wie sich diese begründen lassen kann. Der Arbeitsprozess hätte jedoch durch den Austausch mit Expert:innen effizienter gestaltet werden können. Die Untersuchung weiterer Daten in Form von Primärquellen und Sekundärliteratur hätte zur Steigerung der Aussagekraft beitragen können.

Schlussfolgerungen

Die vorliegende Arbeit zeigt, dass die bei beiden Kulturen ähnlich oder gar identisch ausgeprägten Faktoren, wie die menschliche Anatomie oder die Anzahl Tage eines Sonnenjahres, zu ähnlichen Entwicklungen in der Mathematik geführt haben, während sich Unterschiede auf kulturspezifische Merkmale zurückführen lassen. Nach der Beantwortung der Fragestellung könnte die Untersuchung nun auf die Mathematik anderer Zeiträume oder Kulturen ausgeweitet werden. Möglicherweise liessen sich allgemein gültige Muster und Gesetzmässigkeiten erkennen. Auch wenn solche Untersuchungen ein umfassenderes historisches und mathematisches Wissen und die genaue Auseinandersetzung mit Primärquellen erfordern, könnten sie zu einer Vertiefung des heutigen Wissens um die Rolle der Mathematik im Verlauf der Geschichte beitragen.

 

 

Würdigung durch den Experten

Mike Rohr

Mit seinem Werk “Die Mathematik alter Völker” hat Sebastian Ludwig einen äusserst gelungenen mathematisch-historischen Vergleich geschaffen. Er untersucht darin in lobenswert analytischer Präzision und einem ausgesprochenen sprachlichen Feinschliff, über welche mathematischen Kenntnisse die beiden Pyramiden bauenden Völker, die Ägypter und die Maya, verfügt haben müssen und wo mögliche Unterschiede bestanden haben mögen. Seine Arbeit gibt nicht nur einen eindrücklichen Einblick in den aktuellen Forschungsstand, sondern zeigt auch, wie Forschung an scheinbar verlorenem Wissen betrieben wird.

Prädikat:

sehr gut

 

 

 

Evangelische Mittelschule Schiers
Lehrer: Gian Peter Ochsner