Biologie | Umwelt
Tamara Haas, 2003 | Untersiggenthal, AG
Der chemische UV-Filter Oxybenzon ist ein gängiger, aber immer mehr in Kritik geratener Bestandteil von Sonnenschutzmitteln und Kosmetikprodukten. Aufgrund der begrenzten biologischen Abbaubarkeit schädigt die umstrittene Filtersubstanz nachweislich marine Ökosysteme und ist deshalb schon in diversen Ländern gesetzlich verboten worden. In dieser Arbeit wurde die Toxizität von Oxybenzon anhand des Fadenwurmes Caenorhabditis elegans bewertet. Dabei konnten signifikante konzentrationsabhängige Effekte auf die Reproduktionsrate und die Bewegungsfähigkeit der Nematoden nachgewiesen werden. Während bei höheren Oxybenzonkonzentrationen eine hemmende Wirkung auf die Reproduktion und die Aktivität von C. elegans beobachtet wurde, zeigten leichtkonzentriertere eine Reproduktions- und Aktivitätsförderung. Diese unerwarteten Ergebnisse lassen sich vermutlich auf eine Stressreaktion der Fadenwürmer auf die nur leicht toxischen Bedingungen, denen sie ausgesetzt waren, zurückführen.
Fragestellung
(I) Lässt sich der Modellorganismus C. elegans auch unter den Bedingungen eines gymnasialen Schullabors problemlos kultivieren und analysieren? (II) Ist eine Veränderung der Aktivität und der (III) Reproduktionsrate von C. elegans nach der Oxybenzon-Exposition nachweisbar? (IV) Eignen sich die Parameter für eine aussagekräftige Toxizitätsstudie und (V) inwiefern lässt sich eine Aussage über oxybenzonhaltige Sonnenschutzmittel treffen hinsichtlich der in der Schweiz zugelassenen Mengen?
Methodik
Zur Untersuchung der Auswirkungen von Oxybenzon auf C. elegans wurden L1-Larven auf Agar-Platten transferiert, welche verschiedene Oxybenzonkonzentrationen enthielten. Nebst der Kontrollgruppe ohne Oxybenzon wurde eine Konzentrationsabstufung über fünf Schritte analysiert. Der höchstdosierte Ansatz bildet dabei mit 5.6mg Oxybenzon/Platte [OB/P] eine Konzentration, die auf dem empfohlenen Nutzungsverhalten für Sonnenschutz basiert, während die tiefste Konzentration mit 0.35mg OB/P einem umweltrelevanten Messwert entspricht. Die Messungen zur Effektbeurteilung erfolgten in adulten Tieren nach Expositionsdauern von 52h (Generation [Gen.] P0) und 104h (Gen. P0+F1). Hierzu diente die Aktivität der Nematoden, die anhand der Bewegungsfrequenz subjektiv eingeschätzt wurde. Ausserdem wurde eine quantitative Bewertung der Reproduktionsrate durchgeführt, indem die Brutgrösse durch das Auszählen der gelegten Eier bestimmt wurde. Alle Daten wurden statistisch ausgewertet und miteinander verglichen.
Ergebnisse
Durch die Experimente konnten sowohl für die Aktivität wie auch die Reproduktionsrate signifikante Effekte von Oxybenzon auf C. elegans nachgewiesen werden. Die beiden höchstdosierten Ansätze, darunter auch die in der Schweiz zulässige Höchstkonzentration (5.6mg OB/P), führten zu einer Halbierung der Aktivität und einer Reproduktionshemmung um bis zu -64.3% (p<0.0001). Entgegen der Erwartung konnte bei tiefer Oxybenzonkonzentration (<=0.7mg OB/P) eine maximale Aktivitätssteigerung um ca. +25% und eine Reproduktionsförderung um +33.7% (p=0.0108) nachgewiesen werden. Letztere sank schliesslich nach längerer Exposition (Gen. P0+F1 nach insgesamt 104h) signifikant.
Diskussion
Bei höheren Konzentrationen zeigte Oxybenzon eine aktivitäts- und reproduktionshemmende Wirkung. Entgegen der Hypothese wurden auch fördernde Effekte beobachtet, die vermutlich auf eine Stressreaktion der Würmer bei nur schwacher Exposition zurückzuführen sind. Für die erhöhte Bewegungsfrequenz erscheint ein Fluchtmechanismus plausibel. Die Reproduktionssteigerung bei Umweltstress wäre neben dem Zweck der Arterhaltung auch hinsichtlich Energieoptimierung denkbar, denn durch das Ablegen der Eier werden überlebenswichtige Ressourcen eingespart. Die Bestimmung tatsächlich geschlüpfter Larven würde weiterführend auch Schlussfolgerungen über die Entwicklungsfähigkeit ermöglichen. Neben der Erkenntnis, dass sich C. elegans auch für Schullabore eignet, verdeutlichen die vorliegenden Ergebnisse wie fraglich die Verwendung von oxybenzonhaltigen Produkten ist. Besonders hinsichtlich der marinen Ökosysteme, die durch globale Stressoren schon geschwächt sind.
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen einen deutlichen dosisabhängigen Einfluss von Oxybenzon auf die Aktivität und Reproduktion von C. elegans, jedoch sind weiterführende Forschungsarbeiten erforderlich, um eine abschliessende Aussage über das Toxizitätspotenzial für Mensch und Umwelt treffen zu können. Darüber hinaus wäre es lohnenswert, Innovationen für sicherere und effiziente UV-Filter voranzutreiben, welche sich natürlich abbauen können und keine toxische Wirkung zeigen.
Würdigung durch den Experten
Dr. Michael Walser
Mit viel Begeisterung und Eigeninitiative hat Tamara Haas die toxische Auswirkung von Oxybenzon – einem umstrittenen chemischen UV-Filter – auf die Aktivität und Reproduktionsrate von C. elegans untersucht. Dabei hat sie sich den Umgang mit dem kleinen Fadenwurm angeeignet und ihre Versuche nicht nur im Schullabor, sondern auch im heimischen Keller durchgeführt. Sie hat in ihrer tadellos geschriebenen Arbeit die systematisch und transparent generierten Messwerte sorgfältig und übersichtlich ausgewertet, und die interessanten Ergebnisse kritisch interpretiert.
Prädikat:
hervorragend
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Kantonsschule Wettingen
Lehrerin: Sylvia Zehnder