Physik  |  Technik

 

Kerim Halitoglu, 2004 | Rheinfelden, AG

 

In erster Linie beschäftigt sich das Projekt IKARUS V1 mit der Machbarkeitsstudie, Entwicklung und Konstruktion eines Lieferfahrzeugs, das speziell für die Herausforderung der «Last-Mile»-Lieferung entworfen wurde. Darüber hinaus kann der Laderaum (Cargobay), in dem die Waren gelagert werden, einfach demontiert werden, wodurch das Shuttle für diverse Anwendungen nutzbar ist. Das Fahrzeug wurde von Grund auf eigenständig konzipiert und nach dem Prinzip von “Trial and Error» entwickelt. Der gesamte Prozess sowie die Herausforderungen von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt wurden detailliert dokumentiert. Ausgestattet mit zwei lenkbaren Achsen, einem ausfahrbaren Batteriefach für schnellen Batteriewechsel, einer Reihe von Abstandssensoren und einem modularisiertem Aufbau, ist das Shuttle optimal dafür ausgerüstet, Waren von A nach B zu transportieren.

Fragestellung

Wie machbar ist es, ein Lieferfahrzeug zu konzipieren und mit vorhanden Werkzeugen zu realisieren, welches flexibel in verschiedenen Einsatzbereichen und potenziell in der Logistikbranche von Nutzen ist?

Methodik

Über einen Zeitraum von mehreren Monaten wurde das Fahrzeug von Grund auf konzipiert und gebaut. Um das komplexe Projekt überhaupt verwirklichen zu können, wurde das Shuttle so weit wie möglich segmentiert und jedes Modul wie ein eigenständiges Projekt behandelt. Die Arbeit gliedert sich grob in drei Phasen. Die Planungsphase, in der bestehende Konstruktionen analysiert, potenzielle Bauteile notiert und detailreiche Skizzen angefertigt werden. Die Designphase, in der eigene Konstruktionen und elektronische Schaltungen mithilfe von CAD-Programmen wie Fusion360 und Eagle erstellt und Platinen in China bestellt werden, sowie die Bauphase, in der alle Module mit verschiedenen Herstellungsverfahren produziert und zusammengesetzt werden. Das Chassis und die Hülle des Shuttles bestehen ausschliesslich aus Aluminium; um das Gerüst herstellen zu können, musste die Kunst des Aluminiumschweissens erlernt werden. Weitere Bauteile wurden mit einem 3D-Drucker gefertigt, mit einer CNC-Fräse produziert oder auf der Drehbank gedreht. Die Bau- und Designphase verliefen dynamisch und abhängig voneinander, da das Fahrzeug nach dem Prinzip von «Trial-and-Error» gebaut wurde. So musste beispielsweise die Lenkung bis zu viermal iteriert werden, bis ein brauchbares Ergebnis erzielt wurde.

Ergebnisse

Das aus 5112 Einzelkörpern bestehende Modell, konnte erfolgreich gebaut werden. Und wird von einer RC-Fernsteuerung gesteuert. Alle Randkriterien konnten erfüllt werden und jede Funktion wurde eigenständig getestet. IKARUS V1 wiegt 35 Kilogramm und hat 649h Arbeit in Anspruch genommen. Die Kosten des Projekts belaufen sich (ohne Rücksichtnahme auf die Sponsorenbeiträge) auf 1814.24 CHF.

Diskussion

Die Realität unterscheidet sich oft von der Konstruktion in einem CAD-Programm. Dies wird besonders problematisch, wenn während des Baus Fehler entdeckt werden, die aus zeitlichen oder finanziellen Gründen nicht mehr korrigiert werden können. Obwohl die festgelegten Randbedingungen für das Projekt erfüllt wurden, gibt es eine Liste mit 32 Problemen, welche die Mängel und Fehler aufzeigen. Für das Shuttle erwies sich das “Trial-and-Error»-Prinzip nur bedingt als erfolgreich. Verbesserungen an der Lenkung waren vor allem deshalb möglich, weil viele Komponenten wiederverwendet oder einfach neu gedruckt werden konnten. Jedoch, als Konstruktionsfehler am Rahmen entdeckt wurden, war es zu spät für eine zweite Iteration. Gegen Ende des Projekts führte der immense Zeitdruck zu einem Qualitätsverlust der Arbeit.

Schlussfolgerungen

Angesicht der Umstände, ist das Ergebnis zufriedenstellend. Sollte das Shuttle tatsächlich für den Strassenverkehr freigegeben werden, wären zusätzliche Iterationen erforderlich. Für zukünftige Versionen ist eine stärkere Orientierung am Autobau notwendig, aber auch eine Verringerung des Gewichtes ist essentiell. Zudem ist fraglich, ob das Shuttle eine praktische Anwendung finden könnte, insbesondere da die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz bezüglich solcher Projekte eher zurückhaltend sind, so ist es rechtlich gesehen sehr komplex ein solches Fahrzeug auf die Strasse zu bringen.

 

 

Würdigung durch den Experten

Dr. Tobias Vancura

Herr Halitoglu hat sich mit dem Bau eines Cargo Shuttles ein sehr umfangreiches Thema ausgesucht, das vermutlich von den meisten schon im Vornherein als nicht umsetzbar angesehen würde. Während eines Jahrs hat er kontinuierlich an dem Projekt gearbeitet und dabei eine Vielzahl von Technologien, Techniken und Theorien selbständig erlernt, und eine Klippe nach der anderen umschifft. Auch wenn am Ende (noch) nicht der selbständig fahrende Lieferroboter steht, ist genau dieses Durchhaltevermögen und der Wille, Probleme zu lösen wo sie auftreten das, was einen guten Wissenschaftler auszeichnet.

Prädikat:

hervorragend

Sonderpreis «MILSET Expo-Sciences Europe (ESE)» gestiftet von der Metrohm Stiftung

 

 

 

Gymnasium Muttenz
Lehrer: Olivier Warin