Gestaltung | Architektur | Künste
Laila Fässler, 2004 | Rombach, AG
Anja Hofstetter, 2003 | Lenzburg, AG
Bei der Klangerzeugung auf der Violine ist die Bogenhaltung entscheidend. Diese literaturwissenschaftliche Arbeit zeigt den Wandel der Geigenbogenhaltung im Laufe der Zeit auf. Das Zusammenspiel zwischen Veränderungen in der Bogenhaltung und dem musikhistorischen Kontext wird veranschaulicht.
Fragestellung
(I) Macht es Sinn, sich bezüglich der Bogenhaltung historisch zu orientieren? (II) Welche Veränderung hat die Bogenhaltung seit dem Barock erfahren? (III) Welche Ansprüche an das Violinspiel lösten diese Veränderungen aus? (IV) Wie hängen die verschiedenen nationalen Violinschulen zusammen? (V) Macht die entsprechende Bogenhaltung nur mit dem passenden Bogen Sinn?
Methodik
Zur Analyse der verschiedenen Bogenhaltungen wird hauptsächlich auf diverse pädagogische Werke verschiedener Geiger von dem Barock bis in die Gegenwart zurückgegriffen. Abbildungen und Beschreibungen der Bogenhaltung im entsprechenden Werk werden nach einem Schema untersucht, um so die Charakteristiken der verschiedenen Geigenbogenhaltungen darstellen und miteinander vergleichen zu können. In einem praktischen Teil der Arbeit werden einige der untersuchten Bogenhaltungen erprobt. Gespräche mit barocken und modernen Geiger:innen und einem Bogenbauer verhelfen dem Verständnis und zeigen auf, wie die Thematik im professionellen Rahmen aufgefasst wird.
Ergebnisse
Eine historische Orientierung bei der Bogenhaltung macht durchaus Sinn. Die Bogenhaltung einer bestimmten Zeit bringt die Klangvorstellung einer früheren Epoche näher an die Musizierenden und widerspiegelt durch ihre Möglichkeiten und Einschränkungen der Bogentechnik und der Klangproduktion die Ansprüche an das Violinspiel der damaligen Zeit. Veränderungen in der Bogenhaltung sind in der Rolle und Höhe des Oberarmes, der Position der Finger am Bogen, des Ortes der Bogenhand an der Bogenstange, der Funktion des Handgelenkes und der Weichheit beziehungsweise der Steifheit der Bogenhand und der Finger zu beobachten. Nach der Epoche des Barocks verlor der Untergriff an Bedeutung. Generell ist eine Tendenz zu einem freieren Oberarm und zu mehr Lockerheit in den Gelenken der Bogenhand zu beobachten. Bei den Gründen für Veränderungen in der Bogenhaltung handelt es sich meistens um eine Folgehandlung von neuen musikalischen Anforderungen. Die Bogenhaltungen genau in nationale Schulen einzuteilen, ist unmöglich. Die Wurzeln grosser nationalen Schulen sind sehr vielfältig und daher nicht eindeutig. Die Einteilung der verschiedenen Haltungen in nationale Schulen wird somit bei den Resultaten der Arbeit nicht berücksichtigt. Nicht immer steht einem die Auswahl der verschiedenen Bogenmodellen zur Verfügung. Oft werden dann Mischformen, wie zum Beispiel eine barocke Bogenhaltung auf einem modernen Bogen, praktiziert. Man kann sich beim Musizieren mit dem Obergriff auf einem modernen Bogenmodell der Spielweise eines leichteren Barockbogens annähern. Jedoch macht das Praktizieren des Untergriffs auf einem Tourtebogenmodell keinen Sinn. Dies liegt vor allem an den unterschiedlichen Eigenschaften der Bögen. Zum einen ein sehr kurzes leichtes Barockmodell, bei welchem der Untergriff zu mehr Gewicht und somit mehr Klang führt. Zum anderen ein längeres schwereres Tourtebogenmodell, wessen Gewicht schon zu einem volleren Klang führt. Auf einem modernen Bogen hat man mit dem Untergriff eine schlechtere Kontrolle.
Diskussion
Es ist nicht möglich eine vollständige Authentizität zu erreichen, was die historisch informierte Aufführungspraxis anbelangt. Die Bogenhaltung ist einer von vielen Bausteinen, wie das Instrumentarium oder das Spiel aus originalen Quellen, um der Authentizität näher zu kommen. Wie nahe man an ein Klangideal der entsprechenden Epoche herankommen möchte, bleibt eine individuelle Entscheidung der Musiker:innen.
Schlussfolgerungen
Das Erlernen einer Bogenhaltung ist sehr schwer und zeitintensiv. Zusätzlich spielt der Faktor Individualität in der Bogenhaltung eine grosse Rolle. Ist man sich dieser Tatsache bewusst, scheint es unmöglich, die eigene Bogenhaltung der Literatur anzupassen. Das Ausprobieren verschiedener Bogenhaltungen ist allerdings sehr wertvoll, da so eine bestimmte Klangvorstellung entsteht. Mit der eigenen Bogenhaltung kann man anschliessend versuchen, sich an dieses Klangideal anzunähern.
Würdigung durch den Experten
Robert Schär
Die beiden Geigenspielerinnen haben die Entwicklung der Bogenhaltung seit dem Barock anhand von Quellen und ikonographischen Belegen anschaulich dargestellt. Ihre Interviews mit professionellen Musikerinnen und Musikern vermitteln zusätzlich interessante Einsichten aus der Praxis. Dabei werden Fragen, die sich bei der historischen Aufführungspraxis stellen, differenziert erörtert und eigene Schlussfolgerungen gezogen. Ein Stammbaum zeigt Einflüsse der verschiedenen Bogenschulen auf. Die Arbeit vermittelt einen klar strukturierten Überblick über dieses spezielle Thema der Geigentechnik.
Prädikat:
sehr gut
Sonderpreis vom Lucerne Festival
Alte Kantonsschule Aarau
Lehrer: Stefan Läderach