Geschichte | Geographie | Wirtschaft | Gesellschaft
Elena Schuler, 2000 | Chur, GR
Der Alltag eines UNO-Militärbeobachters im Einsatz ist wohl den wenigsten ein Begriff. Genau das war das Ziel dieser Untersuchung: Wie lässt sich der Alltag im Einsatz zusammenfassen? Welche Erfahrungen machen Militärbeobachter im Einsatz und wie beeinflussen diese den Charakter? Durch Interviews wurden diese Fragen beantwortet sowie durch eine Analyse der Aussagen in Erfahrung gebracht, ob solche Einsätze eine besondere Art Mensch anziehen. Der Zusammenhang zwischen Charakterzügen von Bewerbern und den Anforderungen der Schweizer Armee wurde weiter untersucht.
Fragestellung
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Alltag von Militärbeobachtern im Einsatz, deren Erfahrungen und den daraus resultierenden Charakterveränderungen. Des Weiteren wurden die Anforderungen an Bewerber und deren allgemeine Meinung zu friedenserhaltenden Missionen untersucht. Zieht eine solche Arbeit einen gewissen Schlag Menschen an? Was macht diese Menschen aus?
Methodik
Um diese Fragen zu beantworten, wurden Interviews mit ehemaligen Militärbeobachtern geführt. Die Interviews wurden in einer gesprächsnahen Situation oder schriftlich durchgeführt.
Ergebnisse
80 Prozent der Befragten waren männlich, 20 Prozent weiblich. Das Durchschnittsalter im Einsatz beläuft sich auf 42 Jahre. Der Alltag im Einsatz ist über den untersuchten Zeitraum hinweg in den Grundzügen sehr ähnlich geblieben; den Hauptunterschied machen technische Fortschritte. Patrouillen, Inspektionen und Schichten auf den Operations Posts (OP) sind die häufigsten Aufgaben. Auf dem OP observierte man zu zweit für eine Zeit von 6 bis 8 Tagen. Der Einsatz hinterlässt aufgrund der Selektion der Personen und der Vorbereitung wenig bleibende Charakterveränderungen. Je weniger Zeit seit dem Einsatz verstrichen ist, desto grösser scheint das Bewusstsein zu sein, ein kleiner Teil des Ganzen zu sein. Der Nutzen des Einsatzes wird längerfristig betrachtet. Je länger der Einsatz zurückliegt, desto kritischer scheint die Ansicht der Befragten. Abgesehen von den offiziellen Kriterien für Bewerber der Schweizer Armee lassen sich einige charakteristische Gemeinsamkeiten bei den Interviewten feststellen. Dies sind einerseits eine präzise und zielgerichtete Kommunikationsweise, eine ähnliche Denkweise – unter anderem durch einer wesensgleichen Ausbildung, die Fähigkeit, trotz divergierender persönlicher Ansichten gegen aussen eine neutrale Meinung zu vertreten, politische Korrektheit und ein respektvoller Umgang. Sie alle besitzen Führungsqualitäten, grosse Durchsetzungskraft, einen kühlen Kopf und sind in der Lage, Befehle präzise auszuführen.
Diskussion
Der Einsatz übte nur wenig Einfluss auf den Charakter der Bewerber aus, die grössten bemerkten Unterschiede waren mehr Geduld und Weltoffenheit. Dies lässt sich mit dem Leben in einer fremden Situation erklären. Durch den Einsatz wurden keine weitreichenden Entscheidungen beeinflusst, was sich durch eine sorgfältige Selektion der Bewerber erklären lässt. Je länger der Einsatz jedoch zurückliegt, desto kritischer ist grundsätzlich die Meinung zu friedenserhaltenden Missionen. Dies deckt sich ungefähr mit der Geschichte der UNO. Die Ähnlichkeit der Charakterzüge der Beobachter lässt auf eine strenge Selektion der Bewerber schliessen und zeigt, dass in der Tat ein ‘gewisser Schlag’ Personen von einem solchen Einsatz angezogen wird, und diese Personen anschliessend auch dafür rekrutiert werden.
Schlussfolgerungen
Die These, dass der Einsatzzeitpunkt nach der historischen und persönlichen Ansicht einen Einfluss auf die allgemeine Sicht auf solche Missionen hat, konnte zu gewissen Teilen bestätigt werden. Die länger zurückliegenden Einsätze hatten zu einem Zeitpunkt stattgefunden, als auch die UNO ein relativ schlechtes Bild hatte. Dies und auch das kritischere Denken aufgrund des Älterwerdens führten zu negativeren Ansichten im Allgemeinen. Die These, dass der Einsatz den Charakter verändert, konnte nahezu widerlegt werden, da sich alle Befragten darüber einig waren, dass der Einsatz kaum nennenswerte Charakterveränderungen nach sich gezogen hatte. Die These, dass der Einsatzort einen Einfluss auf den Alltag ausübt, konnte aufgrund des gleichen Einsatzortes nicht weiter untersucht werden. Technische Fortschritte und Konfliktentwicklungen haben zu geringen Unterschieden geführt. Diese Frage könnte in einem anderen Projekt genauer untersucht werden. Weitere Informationen hätten recherchiert werden können, wenn genug Zeit vorhanden gewesen wäre. So hätte man mehr Interviews mit Beobachtern oder auch mit Personen aus deren Umfeld führen können, um deren Blickwinkel zu berücksichtigen.
Würdigung durch den Experten
Michael Meyrat
Frau Schuler hat eine Arbeit zu den UN-Blaumützen verfasst, die in erster Linie auf Gesprächen mit ehemaligen Aktiven aufbaut. Die umfangreichen Gespräche haben ihr eine Fülle von Informationen zu den von ihr erarbeiteten Fragestellungen geliefert. Es ist ihr gelungen, diese Informationen systematisch auszuwerten, zusammenzufassen und in redaktionell überzeugender Weise zu verarbeiten.
Dieser Beitrag ist wichtig, da Frau Schuler methodisch innovativ und rücksichtsvoll vorgegangen ist und Akteuren eine Stimme gibt, die selten Beachtung finden.
Prädikat:
gut
Bündner Kantonsschule, Chur
Lehrerin: Silvia Gartmann