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Sarah Helfenstein, 2006 | Luzern, LU
Auf der frühmittelalterlichen Grabung in Schötz LU kam im Januar 2024 das Fragment einer Bügelfibel zum Vorschein.
Fibeln dienten dazu, ein Kleidungsstück zusammenzuhalten; oft waren sie reich verziert. Beim nur 2,3 cm langen Fragment aus Schötz ist der Tierkopf eines Fabelwesens dargestellt. Zwischen den beiden Augen aus Almandin verläuft ein mit Niello verzierter Strich. Weitere Verzierungen sind die Augenumrahmungen, zwei doppelte Halbkreise sowie ein Dekor aus Rillen.
Durch den Vergleich des Schötzer Bügelfibelfragments mit anderen Tierköpfen kann gesagt werden, dass das Schötzer Fragment wahrscheinlich auf fränkischem Gebiet hergestellt wurde oder zumindest fränkische Einflüsse aufweist.
Weiter hat der Vergleich gezeigt, dass das Bügelfibelfragment aus Schötz vermutlich in der 2. Hälfte des 6. Jh. n.Chr. hergestellt wurde.
Der Tierkopf war zuerst Teil der Fussplatte einer Bügelfibel, später wurde er wahrscheinlich abgetrennt und zu einem eigenständigen Schmuckstück weiterverarbeitet. Bei beiden Nutzungen kann davon ausgegangen werden, dass die Trägerin der Oberschicht angehörte.
Nach wie vor bleiben viele Fragen um das Bügelfibelfragment offen, so zum Beispiel, warum es umgenutzt wurde. «Das Rätsel um das Bügelfibelfragment» kann (noch) nicht vollständig gelöst werden.
Fragestellung
In meiner Arbeit wollte ich herausfinden, was durch den Vergleich mit ähnlichen Tierköpfen über die Herkunft und die Datierung des Fragments aus Schötz in Erfahrung zu bringen ist und was über die Person(en), die die ursprüngliche Bügelfibel und das wiederverwendete Fragment getragen haben könnte(n), ausgesagt werden kann.
Methodik
Das genaue Betrachten und die Analyse (Material? Zustand? etc.) des Bügelfibelfragments bildeten die Grundlage. Hierzu habe ich das Fragment in der Kantonsarchäologie Luzern mehrmals von allen Seiten unter dem Mikroskop angeschaut und Unterlagen wie Röntgen- und CT-Bilder studiert. Für die Beantwortung meiner Fragestellungen habe ich die Erkenntnisse aus dieser Analyse, den Vergleich des Schötzer Fragments mit anderen Tierköpfen sowie Fachliteratur, Interviews und Auskünfte von ExpertInnen (auch vom Ausland) verwendet.
Ergebnisse
Unter dem Mikroskop wurde ersichtlich, dass das rechte Auge mit einem Golddraht repariert wurde. Das kleine Loch (2.4 mm breit, 3 mm lang) ist ein Indiz dafür, dass das Bügelfibelfragment als Anhänger, wahrscheinlich als Amulett, weiterverwendet wurde. Die Funktion der Eisenreste – ehemals vermutlich Eisenstift(e) – im Kanal, der längs durch das Fragment führt, bleibt unklar (Reparatur? Befestigungsteil?).
Nicht nur das Material (Silber, Feuervergoldung) zeigt, dass das Fragment wertvoll war, sondern auch die Reparatur(en), die Umnutzung sowie die Gebrauchsspuren.
Durch den Vergleich mit ähnlichen Bügelfibeln aus dem heutigen Deutschland und Frankreich habe ich festgestellt, dass das Schötzer Bügelfibelfragment auf fränkischem Gebiet hergestellt wurde oder zumindest fränkische Einflüsse aufweist.
Da die sehr ähnlich gefertigten Vergleichsobjekte alle aus der 2. Hälfte des 6. Jh. n.Chr. stammen, kann davon ausgegangen werden, dass auch das Schötzer Fragment aus dieser Zeit datiert.
Bei der Erstnutzung als Bügelfibel handelte es sich vermutlich um eine Trägerin eines westgermanischen Volkes, die Teil einer wohlhabenden Familie der Oberschicht war. Bei der weiteren Verwendung (als Amulett?) kam die Besitzerin auch aus einer wohlhabenden Familie der Oberschicht, denn der Schmuck war wertvoll.
Diskussion
Bei der ersten Fragestellung betreffend Herkunft und Datierung müssten mehr Vergleichsobjekte als die drei Tierköpfe hinzugezogen werden, um die Aussagen breiter abzustützen. Und vor allem sollten die Vergleichsobjekte in natura und unter dem Mikroskop angeschaut werden. Die Fotos aus Büchern genügen nicht für eine seriöse Forschungsarbeit.
Gerne hätte ich konkreter gewusst, wer die Bügelfibel einst getragen hat. Weil das Objekt aber ohne Fundkontext zum Vorschein kam, musste ich bei der Beantwortung der zweiten Fragestellung auf einer allgemeinen Ebene bleiben.
Schlussfolgerungen
Die Frage nach der Herkunft und Datierung des Bügelfibelfragments konnte anhand von Vergleichsobjekten beantwortet werden. Mit weiteren ähnlichen Bügelfibeln könnte versucht werden, die Aussagen weiter zu präzisieren; auch könnten die Abhängigkeiten von anderen Fibelgruppen untersucht werden.
Interessant wäre zudem eine Fortführung der Arbeit zur Thematik Umnutzung. Gibt es weitere Fibelfragmente mit Zweitverwendung? Warum und als was wurden diese weiter genutzt?
Würdigung durch den Experten
Dr. Christian Auf der Maur
Die Autorin hat sich in ihrer Arbeit der schwierigen Thematik der Deutung eines archäologischen Fundes auf eindrückliche Art und Weise angenähert. Ihre Vorbereitung mittels Mitwirkung auf einer Ausgrabung hat sich positiv auf die interpretativen Lösungsansätze ausgewirkt. Der Aufbau der Arbeit sowie die angewandten Methoden sind nachvollziehbar, die Daten miteinander verknüpft und die Resultate selten etwas um-, grundsätzlich aber ver-ständlich und in einer wissenschaftlichen Form präsentiert. Das Ergebnis ist eine konsistente Forschungsarbeit von der Fragestellung bis zum schlüssigen Fazit.
Prädikat:
sehr gut
Kantonsschule Alpenquai Luzern
Lehrerin: Antonia Durrer