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Emily Meier, 2004 | Horw, LU

 

Unsere Gesellschaft besteht aus sehr vielen Normen, die wir tagtäglich befolgen. Doch was passiert, wenn wir gegen diese Normen verstossen? Meine Arbeit soll die Schönheit von Nonkonformität aufzeigen und zum Nachdenken anregen. Ich will das am Beispiel von femininer Männermode veranschaulichen. Eine Frau in einer Hose finden wir normal, während ein Mann in einem Kleid Aufsehen erregt und provoziert.

Fragestellung

Um mich dem Thema «Femininität bei Männern» anzunähern, setzte ich mich mit Grundsatzfragen auseinander. Was bedeutet Femininität überhaupt? Wie definiert sich Geschlecht? Inwiefern hängen unsere sozialen Praktiken mit unserem Verständnis von Geschlecht zusammen? Dieses Wissen konnte ich in meiner praktischen Arbeit verwenden und entwickelte dabei folgende Fragestellung: Welche Wirkung erzeugt der Verstoss gegen die Genderkonformität? Welche Reaktionen werden ausgelöst? Sind es nur die Kleidungsstücke, welche die Femininität ausmachen?

Methodik

Zuerst wollte ich das Thema Gender theoretisch aufarbeiten und mir so einen guten Überblick über dieses komplexe Thema verschaffen. Ich entschied mich, eine eigene Kollektion zu designen. Dabei liess ich mich durch die unterschiedlichsten Quellen inspirieren: Stoffeigenschaften, traditionelle Frauenmode, Filmklassiker, Designs von anderen Designer:innnen in diesem Gebiet wie Ludovic de Saint Sernin oder Harris Reed. Meine Ideen hielt ich mittels Illustrationen in der App “Sketchbook” fest. Ich wollte meine Leidenschaft, das Nähen, unbedingt in meine Arbeit einbringen, obwohl der Prozess von Planung bis Umsetzung sehr zeitaufwändig ist. Um dem ganzen schliesslich Leben einzuhauchen, präsentierte ich die Kleider in einem Fotoshooting. Weil mir die einzelnen Fotos zu wenig wirkungsvoll erschienen, arrangierte ich sie in einem Fotobuch.

Ergebnisse

Aus unzähligen Skizzen entschied ich mich für fünf, die ich umsetzen wollte. Jedes einzelne hat seine ganz eigene Hintergrundgeschichte. Ein kleines Schwarzes und ein elegantes, weisses Kleid entstanden nebst einer Spitzenbluse, Federarmbändern und einem Ketten-Top. Das Statement-Piece meiner Arbeit war jedoch die rote Lederhose. Sie war nicht besonders feminin, aber richtig kombiniert, entstand die perfekte Androgynität. Beim ersten Shooting ging es vor allem darum, die Kleidungsstücke zu präsentieren. Aufgrund der Auflage von «Schweizer Jugend forscht» organisierte ich fast zwei Jahre später noch ein zweites Shooting. Dabei sollte alles “queerer” sein, möglichst viele Regeln gebrochen werden, egal in welchem Bereich. Das liess mir viel mehr Freiheit und inspirierte mich zu neuen Ideen und Herangehensweisen. Aus beiden Shootings erstellte ich jeweils eigene Fotobücher, die das Ganze dokumentierten.

Diskussion

Der ganze Weg bis zu meinem Endergebnis war unglaublich lehrreich und meine Arbeit hat sich mit mir weiterentwickelt. Die theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema «Gender» half mir auch beim praktischen Teil. Ich konnte viele unterschiedliche Inspirationsquellen vereinen und viele flossen auch unbewusst ein. Der Fokus hat sich vom ersten zum zweiten Shooting stark verändert. Das erste scheint zahmer, der Schwerpunkt liegt auf den Kleidern, die eigentlich das einzig Non-Konforme sind. Beim zweiten Shooting ging es darum, Rollenbilder umzudrehen, aufzulösen, Konventionen zu brechen und Grenzen zu suchen. Es sollte provozieren, zum Nachdenken und Diskutieren anregen. Gewisse Leute fanden die Darstellungen nuttig, verwahrlost oder billig, waren befremdet und empört. Ablehnende Reaktionen und Verständnislosigkeit sind meiner Meinung nach ganz klar zu erwarten beim Brechen von Konformität. Es gab aber auch durchaus Leute, die belustigt, fasziniert und begeistert waren.

Schlussfolgerungen

In meiner Arbeit thematisiere ich den Verstoss gegen gesellschaftliche Regeln. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und fühlt sich schnell unwohl bei Neuem. Ich musste mir viel harsche Kritik für meine Inszenierungen anhören, habe aber den Weg zum Konsens gefunden: Es ist der Faktor Zeit. Es dauerte lange, bis die Gesellschaft sich an Frauen in Hosen gewöhnte und dasselbe wird wohl auch bei Männern in Kleidern passieren. Eine vorsichtige Annäherung war das erste Shooting, in dem man sich vor allem über die Kleider wunderte. Das zweite Shooting hingegen lässt sämtliche Normen hinter sich und wirft viele unbequeme Fragen an unsere Gesellschaft auf: Wieso darf ein Mann oben ohne herumlaufen, aber eine Frau nicht? Verwandeln wir uns von einem Patriarchat zu einem Matriarchat? Wie auch immer, meine Arbeit soll letztlich die unbedingte Schönheit von Non-Konformität aufzeigen.

 

 

Würdigung durch den Experten

Prof. Dr. Jörg Wiesel

Emily Meier hat sich höchst konzentriert und mit immensem Wissen einem hoch aktuellen Thema gewidmet: der Auflösung von Geschlechter- / Gender-Codierungen in der Mode. Was ist männlich, was weiblich, was passiert, wenn Männermode feminin wird? Nicht nur theoretisch hat sich Emily mit Gender- und Queertheorien befasst (Judith Butler), sondern zugleich ein Fotoshooting inszeniert und durchgeführt, das dieser Auflösung ästhetisch und vestimentär / modisch Rechnung trägt. Mit Erfolg!

Prädikat:

sehr gut

Sonderpreis «Einen Tag auf dem Campus der Künste Basel» gestiftet von der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW

 

 

 

Kantonsschule Alpenquai Luzern
Lehrerin: Angelika Merkli