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Nora Artico, 2004 | Münchenstein, BL

 

Phagen werden als Alternative zu herkömmlichen Antibiotika gesehen. In meiner Arbeit ist es mir gelungen, 9 neue E. coli Phagen zu finden. 5 davon kodieren für ein Kolansäure-degradierendes Protein und lassen sich zwei Familien, den Crono- und Bonnellviren, zuordnen. Sie sind T7-ähnliche Phagen. Gefunden wurden diese Phagen im Basler Abwasser und in der Kotprobe des Elefanten (Zoo Basel). Meine Ergebnisse übertrafen die Erwartungen bei Weitem und sind ein erster Schritt zur Bekämpfung von antibiotikaresistenten Bakterien.

Fragestellung

In den letzten Jahren wurde ein besonders dramatischer Anstieg der klinisch relevanten Pathogenen beobachtet. So auch bei den E. coli Bakterien, die sich mittels einem Kapsid, bestehend aus Kolansäure, vor äusseren Umwelteinflüssen schützen. Der Einsatz von Antibiotika muss daher drastisch reduziert werden. Dies reicht jedoch noch nicht, um unser Gesundheitssystem vor einem Kollaps zu bewahren. Es benötigt alternative Therapieansätze, und Bakteriophagen könnten dabei eine Schlüsselrolle einnehmen. Sie sind Viren, die Bakterien infizieren und abtöten können. Aufgrund der Spezifität, der Vielfalt und der Koevolution zwischen Bakterien und Phagen ist das Risiko von Phagen Resistenzen minimal. Dies macht sie zu einer potenten Alternative gegenüber Antibiotika. 2019 fanden Forschende erstmals einen Bakteriophagen (POP72), der Kolansäure als Rezeptor nutzt und so das Umweltbakterium Pectobacterium carotovorum carotovorum (Pcc) angreift. Basierend auf dieser Entdeckung habe ich mich auf die Suche nach E. coli Phagen begeben, welche genau dieselbe Fähigkeit besitzen. Somit war das Ziel meiner Maturaarbeit, neue E. coli Phagen zu entdecken, die in der Lage sind, Kolansäure zu binden oder abzubauen.

Methodik

Insgesamt wurden 5 Abwasserproben, 4 Rhein- und 2 Birsproben sowie 9 Kotproben aus dem Zoo Basel auf Kolansäure-bindende Phagen untersucht. Diese Proben wurden ausgesucht, da dort viele resistente Bakterien vermutet werden. Die Phagen wurden extrahiert und Phagenstocks hergestellt. Dazu wurden die Proben vorerst in ein 50ml Tube abgefüllt und nachfolgend konnten die Phagen durch eine Zentrifugation von den Restbestandteilen der Probe getrennt werden. Die Vorselektion ist dabei entscheidend, sie erfolgt auf einem negativen Bakterienstamm, der keine Kolansäure produziert, wodurch Kolansäure-bindende Phagen von anderen Phagen getrennt werden. Die Phagen wurden auf verschiedenen Bakterienstämmen ausplattiert. Jene, die sich durch ein starkes Wachstum auf dem Kolansäure-produzierenden Stamm auszeichneten, wurden selektiert und einzeln neu plattiert. Daraus konnten reine Phagenstocks gewonnen werden.

Ergebnisse

Es wurde eine Vielzahl an Kolansäure-bindenden Phagen entdeckt. Die meisten dieser Phagen wurden im Abwasser und in den Kotproben nachgewiesen, durchschnittlich 0.6 bzw. 1.6 Millionen pro 50ml. In den Rhein- und Birsproben befanden sich dagegen nur ca. 12’000 bzw. 6’200 Phagen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Menge an Kolansäure-bindenden Phagen beträchtlich ist, besonders im Abwasser und im tierischen Darm. Eine Auswahl dieser Phagen wurde sequenziert. Daraus wurden 9 komplett neue Phagen entdeckt.

Diskussion

Es ist mir in meiner Arbeit gelungen, 9 Phagen zu entdecken, die bis dato unbekannt waren. 5 davon degradieren definitiv Kolansäure. Diese gehören der Familie der Crono- und Bonellviren an und sind somit T7-ähnliche Phagen. Sie stammen aus dem Abwasser- und aus den Kotproben und unterstreichen damit deren Bedeutung als Anreichungsort von Antibiotika Resistenzen. Beim Arbeitsprozess traten auch einige Schwierigkeiten auf. So kam es beispielsweise zu einer Kontamination der Bakterienkulturen, wodurch das Experiment wiederholt werden musste. All meine Ergebnisse wurden in vitro durchgeführt, zukünftige Experimente könnten auch in vivo durchgeführt werden. Zusätzlich muss der Mechanismus meiner Phagen in weiteren Experimenten auch noch genauer analysiert werden.

Schlussfolgerungen

Es ist mir gelungen, E. coli Phagen zu finden, die Kolansäure binden oder abbauen. 5 meiner entdeckten Phagen kodieren definitiv für ein Kolansäure-degradierendes Protein. Sie könnten zukünftig für die Phagentherapie verwendet werden, da sie resistente E. coli Bakterien infizieren und abtöten. Aufgrund der Phagenspezifität müssen noch zahlreiche weitere Phagen entdeckt werden. Nur so können in Zukunft multiresistente bakterielle Infektionen weiterhin (mit Phagen) behandelt werden.

 

 

Würdigung durch die Expertin

Nina Kathe

Mit grossem Enthusiasmus und wissenschaftlicher Neugier widmete sich Nora Artico dem hochaktuellen Thema von bakteriellen Resistenzen. In ihrer Arbeit hat Nora Artico mehrere, bisher unbekannte Bakteriophagen gefunden, welche spezifisch Kolansäure-produzierende E. coli Bakterien abtöten. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Phagen nicht nur zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen, sondern auch von Biofilm-bildenden Bakterien genutzt werden können. Die Arbeit zeugt von sorgfältigem, wissenschaftlichem Arbeiten, und zeigt neue Ansätze für die Bekämpfung von resistenten Erregern auf.

Prädikat:

hervorragend

Sonderpreis «European Union Contest for Young Scientists (EUCYS)» gestiftet von der Stiftung Aldo e Cele Daccò

 

 

 

Gymnasium Münchenstein, Münchenstein
Lehrer: Dr. Patrick Dunant