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Flurin Jegge, 2003 | Niederdorf, BL

 

Meine Arbeit entstand im Rahmen der Maturarbeit am Gymnasium Liestal. Durch ein Praktikum im Staatsarchiv BL stiess ich auf das Thema Auswanderung im 19. Jahrhundert, was mich aufgrund aktueller Migrationsgeschehnisse ansprach. Aufgrund meines lokalgeschichtlichen Interesses grenzte ich das Thema auf die Region Basel ein. Mir war wichtig, nahe an Einzelschicksalen zu arbeiten und so bisher unbekannte Erkenntnisse über Auswanderungsfälle zu erarbeiten. Die Arbeit zeichnet anhand von exemplarisch ausgewählten Fallbeispielen ein Bild der Auswanderung zumeist nach Nord- und Südamerika, die von der Region Basel aus im 19. Jahrhundert erfolgte. Ursache hierfür war die wirtschaftlich bedingte Notlage als Folge lang andauernder Prozesse sowie einzelner Ereignisse.

Fragestellung

Warum kam es im 19. Jahrhundert zu Auswanderungswellen aus der Region Basel, und wohin führten diese?

Methodik

In meinem Theorieteil erarbeitete ich anhand veröffentlichter Forschungsliteratur zur Auswanderung aus der Schweiz ein Gesamtbild des gewählten Zeitraums, das sich grösstenteils auf die ganze Schweiz bezieht. Meine Erkenntnisse fasste ich in zehn Thesen zusammen. In meinem praktischen Teil ging ich dann in den Staatsarchiven Basel-Landschaft und Basel-Stadt sowie im Archiv der Mission 21 in Basel auf die Suche nach Originalquellen zur Auswanderung aus der Region Basel im 19. Jahrhundert. Dabei erstreckten sich meine Funde von offiziellen Dokumenten (Gerichtsprotokolle, Ratsbeschlüsse etc.) bis hin zu privaten Briefen, sowohl von Auswanderungswilligen als auch bereits Ausgewanderten. Diese filterte ich dann so, dass sie ein anschauliches Bild der Auswanderungsepoche vermittelten. Fast alle Quellen musste ich zuerst transkribieren, bevor ich sie auswerten konnte, indem ich sie mit den im Theorieteil erarbeiteten Thesen abglich.

Ergebnisse

Haupterkenntnis ist, dass die Auswanderung in den meisten Fällen durch wirtschaftliche Notlage verursacht wurde. Die Ursachen dieser Notlagen lassen sich der Literatur zufolge verschiedenen Entwicklungen und Ereignissen zuordnen, die sich alle negativ auf die Schweizer Wirtschaftslage auswirkten. Eine langfristige Ursache war der gesamtwirtschaftliche Wandel (Umstellung von Ackerbau zu Textilindustrie), auf den die Schweizer Wirtschaft nicht angemessen reagierte, was zu Armut führte. Man erkennt drei Hauptauswanderungswellen. Die erste war in den 1810er Jahren aufgrund des schlechten Klimas, welches sich negativ auf die Landwirtschaft auswirkte. Diese Schlechtwetterphase wurde durch einen Vulkanausbruch auf einer indonesischen Insel im Jahr 1815 verursacht. Eine zweite Welle lässt sich in den 1850er Jahren unter anderem der Kartoffelfäule und dem kalifornischen Goldrausch zuschreiben. Die dritte Welle wurde durch den Amerikanischen Sezessionskrieg verursacht, der eine weltweite Wirtschaftskrise auslöste, die wiederum nach Ende des Kriegs zu Schweizer Auswanderungsfällen führte. Als Auswanderungsziel lassen sich in den meisten Fällen Länder auf den amerikanischen Kontinenten feststellen. Am Beispiel des Schreiners Leonhard Schwarz konnte ich aus den Quellen direkt ablesen, dass er durch den Wirtschaftswandel 1854 nach und nach an Wohlstand verlor und an einen Punkt gelangte, an dem er seine Familie nicht mehr ernähren konnte. Daraufhin entschloss er sich, sein Glück in einem anderen Land zu versuchen und beantragte die Auswanderung nach Brasilien.

Diskussion

In der Arbeit konnte ich alle Aspekte der Fragestellung beantworten und in diesem Rahmen war das Vorgehen angemessen. Das methodische Vorgehen war nicht perfekt gewählt, bei zukünftigen Arbeiten dieser Art möchte ich darauf achten, dass ich zuerst die Quellen suche. Dadurch kann ich den zu untersuchenden Zeitraum enger eingrenzen, um ein detaillierteres Bild dieses historischen Abschnitts präsentieren zu können. Im Rahmen dieser Arbeit, in der ich versuchte ein Gesamtbild darzustellen, hat die Methode jedoch recht gut funktioniert. Aufgrund der Quellenlage blieben Fragen zu Einzelschicksalen offen oder es ergaben sich teilweise widersprüchliche Erkenntnisse. Hierfür wäre eine intensivere Quellensuche erforderlich.

Schlussfolgerungen

Meine Thesen konnte ich grösstenteils bestätigen und damit verbunden auch die Fragestellung an sich beantworten. Im historischen Kontext zeigt die Arbeit anhand von neu bearbeiteten Einzelbeispielen allgemeinere historische Prozesse auf. Im zeitgenössischen Kontext kann man Parallelen zu brandaktuellen Wanderungsgeschehnissen herstellen, womit die Erkenntnisse dieser Arbeit auch für Migrationsforschende relevant sind.

 

 

Würdigung durch die Expertin

PD Dr. Alexandra Binnenkade

Flurin Jegge hat mit «Auswanderung im 19. Jahrhundert aus der Region Basel» eine sorgfältig recherchierte Arbeit vorgelegt, für die er eine beeindruckende Bandbreite von Quellen aus dem 19. Jahrhundert transkribiert, relevante Fallbeispiele herausgearbeitet und ausgewertet hat. Alle Beispiele sind umsichtig kontextualisiert und verknüpft. Die historischen Fälle dienen ihm dazu, Thesen zu heutigen Migrationsgründen und -Begründungen differenziert nachzugehen. Es gelingt ihm, geographisch/soziologische Konzepte von Push- und Pullfaktoren durch das historische Material überzeugend zu erweitern.

Prädikat:

gut

 

 

 

Gymnasium Liestal
Lehrerin: Maja Ruef