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Salome Langer, 2004 | Allschwil , BL
Der Antisemitismus ist ein historisches Phänomen, das bereits seit über 2000 Jahren existiert und bis in die Gegenwart fortbesteht. Seinen Höhepunkt erreichte der Antisemitismus während des Zweiten Weltkriegs mit der systematischen Vertreibung und Vernichtung von 6 Millionen Jüdinnen und Juden. Als 1942 in der Slowakei die Deportationen begannen, veränderte sich das Leben vieler Menschen drastisch. Die jüdische Gemeinschaft wurde durch antisemitische Gesetze der slowakischen Staatsführung gezielt aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. Mein Grossvater, damals noch ein Kind, erfuhr die Schrecken dieser Zeit am eigenen Leibe. Er war gezwungen, zusammen mit seiner Familie die Flucht zu ergreifen. Diese Arbeit konzentriert sich auf die Denkweise der Bevölkerung zu dieser Zeit sowie die Faktoren, die das Überleben meines Grossvaters ermöglichten.
Fragestellung
Das Forschungsziel dieser Studie war, ein vertieftes Verständnis für die Haltung der slowakischen Bevölkerung gegenüber ihrer jüdischen Gemeinschaft in der Zeit vor und nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht zu erlangen. Hieraus ergaben sich folgende Fragestellungen: (I) Wie reagierte die slowakische Bevölkerung auf die systematische Verfolgung und Ermordung der Juden zur Zeit des Zweiten Weltkriegs? (II) Gab es vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht bereits antisemitische Tendenzen oder unterstützte die Bevölkerung die Verfolgten? (III) Welche Umstände ermöglichten das Überleben meines Grossvaters?
Methodik
Zur Erforschung des Themas wurden vorab Literaturquellen konsultiert. Die Beantwortung der Fragen erfolgte durch Interviews mittels der Oral-History-Methode. Hierbei wurden Gespräche mit meiner Grossmutter, Witwe meines verstorbenen Grossvaters, sowie mit seinem Cousin geführt. Zur Vorbereitung der Interviews wurden Fragebögen erstellt und die Gespräche mithilfe eines Aufnahmegerätes dokumentiert. Die Transkription und Auswertung der Interviews erfolgten im Anschluss.
Ergebnisse
Die Reaktionen der Bevölkerung in Kriegszeiten lassen sich in drei Kategorien unterteilen. Eine Kategorie profitierte von den wirtschaftlichen Veränderungen und beanspruchte das Eigentum der Juden für sich. Die zweite Kategorie, die Minderheit, widersetzte sich aktiv dem antijüdischen Regime, indem sie der jüdischen Gemeinschaft Schutz bot. Die dritte Kategorie, die Mehrheit, reagierte gleichgültig und ignorierte die Gräueltaten. Die Haltung gegenüber dem Judentum war jedoch regional und individuell unterschiedlich. Sie war in erster Linie von familiären Prägungen abhängig. Antisemitismus äusserte sich in latenten Vorurteilen und offener Ablehnung, verstärkt durch politische Radikalisierung und wirtschaftliche Benachteiligung. Zusätzlich isolierten politische Massnahmen gezielt die jüdische Gemeinschaft und schürten Hass, indem sie es von der übrigen Bevölkerung trennten. Religiöse und politische Einflüsse prägten regionale Unterschiede in der Intensität des Antisemitismus, während ein stillschweigendes Einverständnis der Bevölkerung entscheidend für den Fortbestand und die Umsetzung diskriminierender Massnahmen war. Dieses komplexe Zusammenspiel zeigt sich in der Überlebensgeschichte meines Grossvaters. Zu Beginn bot der Arztberuf seines Vaters Schutz, da seine Dienste der Bevölkerung zugute kamen. In Zeiten zunehmender Bedrohung waren die Unterstützung der lokalen Bevölkerung und die Flucht in den Wald entscheidend für sein Überleben.
Diskussion
Die Nutzung von Oral History erwies sich als effektive Methode für meine Arbeit. Obwohl die Aussagen der Zeitzeugen aufgrund ihrer subjektiven Natur mit Vorsicht zu betrachten sind, bieten sie dennoch eine einzigartige Perspektive auf historische Ereignisse. Die Geschichten basieren grösstenteils auf mündlichen Überlieferungen aus zweiter Hand und könnten daher Ungenauigkeiten enthalten, bieten jedoch wertvolle Einsichten in die Vergangenheit.
Schlussfolgerungen
Der Antisemitismus manifestiert sich besonders in Zeiten wirtschaftlicher oder sozialer Unsicherheit. Antisemitismus ist kein neues Phänomen, sondern immer latent vorhanden. Dabei spielt die nichtjüdische Bevölkerung eine grosse Rolle. Ein stärkerer Widerstand gegen politische Massnahmen der damaligen Regierung hätte womöglich dazu beigetragen, die Auswirkungen zu begrenzen. Trotzdem war die Unterstützung aus der slowakischen Bevölkerung für das Überleben der Jüdinnen und Juden dieser Zeit entscheidend. Möglicherweise könnte für weitere Forschungen eine Vergleichsstudie mit anderen Ländern oder Zeitzeugen zur Reaktion auf Antisemitismus von Interesse sein.
Würdigung durch den Experten
Prof. Dr. Erik Petry
Salome Langer erarbeitet die Biographie ihres slowakischen Grossvaters, mit der sie die Verfolgung der jüdisch-slowakischen Bevölkerung zeigen möchte. Die Geschichte der Slowakei vom Ersten Weltkrieg bis in die Nachkriegszeit in den 1940er Jahren beschreibt sie anhand der Forschungsliteratur und schafft damit einen Kontext für den Hauptteil, dem die Oral History-Methode zugrunde liegt. Es gelingt, ein umfassendes Bild der Geschichte Jan Langers in den 1930er und 1940er Jahren zu entwerfen und dabei die Forschungsfragen nach dem Verhalten der Bevölkerung eindrücklich zu beantworten.
Prädikat:
sehr gut
Gymnasium Oberwil
Lehrerin: Ursula Seiz Trevisan