Mathematik | Informatik
Jesse Born, 2005 | Veltheim, AG
In dieser Arbeit wird ein Computerprogramm zur automatisierten Planung von Ski- und Bergtouren entwickelt. Auf Basis des digitalen Höhenmodells SwissAlti3D mit einer horizontalen Auflösung von 0.5m, der Bodenbedeckungskarte SwissTLM3D sowie von historischen Unfalldaten des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) wird dazu flächendeckend für jeden Rasterpunkt innerhalb der Schweiz ein Gefahrenwert berechnet.
Aus dieser Datengrundlage können zwischen vom Benutzer eingetragenen Start- und Zielkoordinaten risikooptimierte, kraftsparende Routen innerhalb weniger Sekunden automatisiert geplant werden.
Die resultierenden Routen wurden mit Literaturtouren aus dem SAC-Tourenportal bzw. Tourenführern verglichen und gegenüber diesen bewertet. Die vom Programm errechneten Aufstiegsrouten reichen von begehbar bis deckungsgleich. In weniger oft begangenen Gebieten findet der Algorithmus sogar einige Trendtour-Kandidaten mit sicherem Aufstieg und attraktiver Abfahrt.
Fragestellung
In dieser Arbeit soll ein Computerprogramm entwickelt werden, welches aufgrund eines digitalen Höhenmodells und historischer Unfalldaten eine möglichst defensive (risikominimierende) Aufstiegsroute plant. Die vom Modell produzierten Touren sollen mit Literaturrouten aus dem Tourenportal des SAC verglichen und auf ihre Begehbarkeit kritisch überprüft werden. Kann uns ein Computer auf eine sichere Tour schicken?
Das Modell soll zusätzlich in einer Webapp bereitgestellt werden.
Methodik
Zur Abschätzung des Lawinenrisikos auf Grund der Höhenkarte der Schweizer Alpen wurde die etablierte grafische Reduktionsmethode (GRM) als Python-Skript implementiert. Die Risikowerte werden mit geschätzten Bewegungskosten kombiniert und dienen als Grundlage für die Suche einer optimalen Route. Für die Tourenplanung gemäss dieser Methodik wurde eine eigene Erweiterung für das quelloffene Geoinformationssystem QGIS implementiert, welche es ermöglicht, eine Minimalkostensuche auf der Risikokarte inklusive geschätzten Bewegungskosten durchzuführen.
Ergebnisse
Die vom System produzierten Routen wurden gegenüber viel begangenen Skitourenklassiker quantitativ und qualitativ validiert. In vielen Gebieten erreichten die errechneten Routen eine hohe Übereinstimmung mit den Literaturrouten. 15 aus 20 der produzierten Routen können als «begehbar» eingestuft werden, wobei die berechneten Routen im Durchschnitt weniger als 150m von der Literaturroute abweichen. Insbesondere bei Passüberschreitungen und auf Rücken folgen die berechneten Routen Wanderwegen, die allerdings dem Modell nicht bekannt sind und einzig basierend auf dem Höhenmodell als begehbare Routen identifiziert werden.
Unter https://algotour.app/ kann mit dem Modell selbst experimentiert werden.
Diskussion
In vielen Fällen produziert das Programm begehbare Routen.
Die vom Modell verwendete Reduktionsmethode basiert auf der GRM und übernimmt daher deren grundsätzliche Schwächen. Insbesondere fehlen in den verwendeten Datensätzen entscheidende Informationen zur tatsächlichen Begehbarkeit von Graten oder zur Durchquerbarkeit von Gewässern im Winter. Dadurch kann das Modell in bestimmten Situationen Abweichungen zu etablierten Touren zeigen, die jedoch nicht zwangsläufig als Fehler zu interpretieren sind.
Ein wesentlicher Zielkonflikt besteht in der aktuellen Implementierung darin, dass das Modell theoretisch auch hochriskante Abschnitte durchqueren könnte, falls dies eine erhebliche Wegersparnis bringt.
Die Anforderungen an Aufstieg und Abfahrt unterscheiden sich erheblich, was derzeit nicht explizit im Modell berücksichtigt wird. Die Ergänzung eines Richtungsattributs könnte spassigere Abfahrten produzieren.
Seit der ersten Einreichung der Arbeit konnte die Routenberechnung aus dem GIS in die Webapp selbst übertragen werden, was die Berechnung deutlich beschleunigt hat.
Schlussfolgerungen
Das Modell kann in einfachen Abschnitten eine begehbare und sichere Route berechnen. Das Lokalwissen, welches zur Planung einer nicht nur sicheren, sondern auch spassigen Tour nötig ist, wird in der Datengrundlage nicht abgebildet. Vorerst ersetzen wir hier noch keine Bergführer, jedoch bietet das Programm eine ideale Unterstützung bei der Planung, so dass der Fokus technisch schwieriger Aspekte beim Menschen bleibt, die grobe Routenanlage jedoch vom Computer übernommen werden kann. Die endgültige Spuranlage, die Stelle von Spitzkehren oder ob ein Einzelhang wirklich durchquert wird, liegt in der Entscheidungsgewalt des jeweiligen Tourengängers – das Modell dient wie ein Tourenführer nur der Planung von zu Hause aus.
Würdigung durch den Experten
Dr. Andreas Streich
Ausgehend unter anderem von der im Bergsport weit verbreiteten graphischen Reduktionsmethode leitet Jesse Born für jeden Kartenpunkt einen Kostenwert ab und verwendet sorgfältig ausgewählte Algorithmen, um effizient eine sichere und angenehm zu gehende Skitourenroute zwischen einem angegebenen Start- und Zielpunkt zu finden. Der Ansatz wurde mehrfach verfeinert und mit zeitgemässer Technologie effizient und ausbaubar als webbasierte Applikation implementiert. Die Ergebnisse werden differenziert evaluiert und zeigen in den meisten Fällen sichere Routen.
Prädikat:
hervorragend
Sonderpreis «I-FEST²» gestiftet von der SJf-Trägerschaft
Alte Kantonsschule Aarau
Lehrer: Dr. Michael Kappeler