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Aurel Schmidlin, 2003 | Basel, BS

 

Das Schällemätteli-Areal in Basel hat seit seinem Bestehen im Wesentlichen drei Nutzungen erlebt. Wer heute in der Stadt unterwegs ist, kennt den 2013 errichteten Neubau des Biozentrums der Universität. Vorher stand an dieser Stelle über 100 Jahre lang die Strafanstalt Schällemätteli. Vielen unbekannt ist vermutlich der 1845 fertiggestellte Elsässer Bahnhof, der sich ebenfalls an diesem Ort befand. Es war der erste Bahnhof auf Schweizer Boden.

Fragestellung

Es ging mir darum, die Geschichte des Quartiers, in dem ich lebe, zu verstehen. Meine Leitfrage lautete folgendermassen: Wie hat sich das Schällemätteli-Areal seit 1840 verändert und welche Folgen hatte dies für das St. Johannsquartier in Basel?

Methodik

Zu meinem Thema existiert nur wenig Sekundärliteratur. Deshalb basiert die Arbeit massgeblich auf Primärquellen. Ich habe dabei in der Universitätsbibliothek Basel und im Staatsarchiv Basel-Stadt recherchiert. Beim Auswerten der Quellen konzentrierte ich mich auf die Voraussetzungen, die den Bau der Gebäude ermöglichten. Welche Genehmigungen und Auflagen waren nötig? Wer waren die Entscheidungsträger und wer hatte Interesse daran, dass sich das Areal veränderte? Wie sahen die Gebäude und der Ort aus?

Ergebnisse

Auf dem Schällemätteli-Areal stand der erste Bahnhof auf Schweizer Boden. Zudem handelte es sich um die erste länderübergreifende Bahnlinie in Europa, die von Strasbourg nach Basel verlief. Betrieben wurde sie von den französischen Elsässerbahnen. Das Sonderbarste war die Lage des Bahnhofs. Das konservativ geprägte Basel hatte in den 1840er Jahren, als der Elsässerbahnhof gebaut wurde, immer noch eine Stadtmauer. Das war eher ungewöhnlich, da in anderen Städten die Stadtmauern zu dieser Zeit bereits abgerissen waren. Basel aber wollte seine Ummauerung behalten und legte nach langen und hitzigen Debatten im Grossen Rat fest, dass der Bahnhof innerhalb der Mauer errichtet werden sollte. Nun war dafür aber kein Platz, weshalb man einen Abschnitt der Stadtmauer abriss, um ihn einige hundert Meter nach aussen zu verschieben. Somit entstand eine neue Baufläche für den Bahnhof, die später zum Schällemätteli-Areal werden sollte. Damit der Zug durch die Mauer hindurch fahren konnte, musste ein Tor in die Mauer eingelassen werden. Die Bahngeschichte kennt nur gerade eine Handvoll solcher Eisenbahntore, so dass die Einfahrt durch das Tor in den Bahnhof eine besondere Attraktion darstellte. Der Elsässerbahnhof wurde 1860 abgerissen, weil der neue Centralbahnhof, der heutige Bahnhof SBB, für den Anschluss ans Mittelland mit der Strecke Basel-Olten besser gelegen war. In meiner Arbeit wird erstmals der Name «Schällemätteli» hergeleitet. Das Vorgängergefängnis, das sich im nahegelegenen Predigerkloster befand, trug den Namen Schellenhaus. Den Gefangenen wurden bei Sträflingsarbeiten auf umliegenden Feldern Schellen umgebunden, um durch den Lärm eine Flucht frühzeitig zu erkennen. Das Schällemätteli war also die zum Schellenhaus gehörende Wiese. Die neue Strafanstalt wurde auf diese «Schellenmatte» gebaut, Glocken wurde den Insassen aber keine mehr angelegt. Der Name Schällemätteli ist also älter als die Strafanstalt. Der Name lebt auch nach Abbruch des Gefängnisses 2009 fort: Noch heute heisst der Unikomplex «Campus-Schällemätteli». Das Schällemätteli-Gefängnis stand ab dem 20. Jahrhundert inmitten eines Wohnquartiers. Es mag verwundern, dass ein Gefängnis, ein Ort wo Kriminelle verwahrt werden, einfach so mitten in der Stadt stand. Doch die städtebaulichen Gegebenheiten sorgten für dieses merkwürdige Stadtbild. Übrigens regte sich im Quartier nie Widerstand gegen das Gefängnis. Im Gegenteil: als es 2009 abgerissen wurde, war man als Anwohner eher wehmütig, dass eine Legende des Quartiers nun ausgedient hatte.

Diskussion

Die Entwicklung des Schällemätteli-Areals scheint widersprüchlich. Von einem Bahnhof, der jeder Person offen steht, hin zu einem Gefängnis, das von der Öffentlichkeit durch hohe Mauern abgeschottet ist. Erstaunlicherweise prägte das Gefängnis das Quartier viel stärker als der Bahnhof.

Schlussfolgerungen

Das besondere meiner Arbeit ist, dass erstmals die Geschichte dieses Areals über eine solch lange Zeitspanne aufgearbeitet wurde. Zudem war die Herleitung des Namens «Schällemätteli» bisher ungeklärt und taucht deshalb in keinem Flur- und Ortsnamenverzeichnis auf.

 

 

Würdigung durch den Experten

Hans-Dieter Gerber

Aurel Schmidlin widmet sich einem wenig beachteten Aspekt der Basler Geschichte und erforscht den Bahnhof und das Gefängnis auf dem Areal «Schällemätteli» im Quartier St. Johann von der Mitte des 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Der Autor beleuchtet, wie das konservative Basel zu einem Pionier des schweizerischen Eisenbahnwesens wurde. Im Teil über das Gefängnis gelingt es ihm, die Architektur und ihre Funktionalitäten zu den Methoden eines zeitgenössischen Strafvollzugs in Beziehung zu setzen und Hinweise zu entdecken, weshalb die Bevölkerung mit Wehmut das Ende der Anstalt verfolgte.

Prädikat:

sehr gut

 

 

 

Gymnasium Kirschgarten, Basel
Lehrer: Thomas Preiswerk